Sinnsprüche, Splitter

Menschliches (1): Der Mensch ist dort am meisten Tier geblieben, wo er die meisten Haare hat.

Kultur: Menschheitlanger Versuch zur Domestizierung des Zufalls.

Schreibtischtäter: Die über Zeichen gehn.

Selbstauskünfte: Was einer von sich sagt, wird ihm ungern geglaubt, aber gern als Maßstab genommen, an dem er sich fürder messen lassen muß.

Autobiographie: In meiner Jugend habe ich mich sehr für den Geschlechtsverkehr interessiert.

Pflichten (1): Erste Pflicht jedes Intellektuellen ist Verständlichkeit.

Kunst (1): Kunst ist die Fertigkeit, möglichst originell bei anderen Künstlern zu klauen.

Romantik: Gewissheit ist eine romantische Einbildung.

Gesellschaftsfrotteure: Die Perversen, die sich an den Zuständen reiben.

Freiheit (1): Freiheit ist die Illusion, selbst entscheiden zu können.

Ausnahme und Regel: Daß zwei sich lieben ist nicht selten. Daß sie einander lieben hingegen sehr.

Reflexive Selbstliebe: Er wollte sich an ihr küssen.

Gefühlsanatomie: Liebe geht durch den Pansen.

Unwürdige und erniedrigende Berufe (1): Weltempfänger sein.

Niederschreiben: Ist mir von allen kämpferischen Schreibformen die liebste.

Mischpoche: Ich bin das Haar in der Sippe.

Ausdenken, ausbrüten: sich was aushirnen.

Entspanntheit: Seine ungeheure Entspanntheit ward nur noch von seinem Eifer übertroffen, sie zu beteuern.

Zeit (1): Eine Pause ist das, was zwischen zwei Zeitpunkten nicht stattfindet.


Kalendersprüche: Man kann in einem Kalender nicht verewigt sein.

Brotlose Kunst: Die Schwere des Gemüts einer Nation, scheint mir, läßt sich an der Dichte ihres Brotes ablesen.  Der Deutschen Brot zB. ist weniger dicht, als das russische, aber dichter, als die Weißbrote der südlichen Nationen.

Deutscher Reim: In Deutschland ossifiziert ein Gedicht allzu schnell zum Gedächt.

Geschichte: Als Witz kann ich sie ernst nehmen. Ob das Heute eine gute Pointe war, beweist das Gelächter, das es morgen auslöst.

Lernen, lernen, lernen!: Die Schule: Lernen, was man wissen soll. Die hohe Schule: Verstehen, was man gelernt hat. Die höchste Schule: Verwerfen, was man verstanden hat. (Das wichtigste daran ist die unvertauschte Reihenfolge.)

Talent (1):Wen die Götter lieben, dem geben sie ein Talent. Wen sie versuchen wollen, dem geben sie zwei. Wen sie vernichten wollen, dem geben sie mehr. (Und die gänzlich talentlosen? Das sind die glücklichen, die die Götter nicht scheren.)

19 Gedanken zu “Sinnsprüche, Splitter

  1. „Erste Pflicht jedes Intellektuellen ist Verständlichkeit.“ (Ina Eff)

    „Erste Pflicht jedes Geistesmenschen ist ‚Unverständlichkeit‘.“ (Lyzis)

    • nachdenklichekrankenschwester schreibt:

      … romantischer jedoch die Gewißheit, daß alles ungewiß ist.

      Das ist nicht romantisch, sondern trivial. Trivial und v.a. unfruchtbar und öd. Romantik, im Gegensatz, eignet stets eine schlaffe Üppigkeit; sie ist immer ekelhaft fruchtbarer Wildwuchs.

  2. Samuel von Reiflingen schreibt:

    [i]“Freiheit ist die Illusion, selbst entscheiden zu können“ (Ina Eff)[/i]

    „Der wirkliche Mensch ist der Privatmensch der jetzigen Staatsverfassung.

    Der Stand hat überhaupt die Bedeutung, daß der Unterschied, die Trennung, das Bestehn des Einzelnen ist. Die Weise seines Lebens, Tätigkeit etc., statt ihn zu einem Glied, zu einer Funktion der Gesellschaft zu machen, macht ihn zu einer Ausnahme von der Gesellschaft, ist sein Privilegium. Daß dieser Unterschied nicht nur ein individueller ist, sondern sich als Gemeinwesen, Stand, Korporation befestigt, hebt nicht nur nicht seine exklusive Natur auf, sondern ist vielmehr nur ihr Ausdruck. Statt daß die einzelne Funktion Funktion der Sozietät wäre, macht sie vielmehr die einzelne Funktion zu einer Sozietät für sich. “ Karl Marx, zur Kritik des hegelschen Staatsrechts

    Ich sage deshalb: Freiheit ist der Zwang, selber entscheiden zu müssen und das Glück, es zu dürfen.

  3. Samuel von Reiflingen schreibt:

    Sie, Eff, scheinen ja zuviel ‚Krisis‘ gelesen haben (Subjektivität und Objektivität, sind ein- und dasselbe (frei nach Robert Kurz)). So verstehen Sie erstens nicht, dass die Marxsche Polemik in MEW Bd.23 („Die Sphäre der Zirkulation oder des Warenaustausches […] ist in der Tat ein wahres Paradies der angeborenen Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham.
    Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einerWare … sind nur durch ihren freien Willen bestimmt. Sie schließen den Arbeitsvertrag als freie, rechtlich ebenbürtige Personen. Der Kontrakt ist das Endresultat, worin sich ihre Willen einen gemeinsamen Rechtsausdruck geben.“) eine ihrem Gegenstand entsprechende ist, d.h. dass sich der doppelt freie Lohnarbeiter im Gegensatz zum Feudalbauern tatsächlich selber entscheiden muss, welchen Zwang er über sich ausübt, um nicht zu verhungern.

    Zweitens fallen Sie wie die Krisis noch hinter Hegel und damit auch hinter die Marxsche Kritik an ihm zurück, die in der Kritik des Hegelschen Staatsrechts lautet: „Die subjektive Freiheit erscheint bei Hegel als formelle Freiheit (es ist allerdings wichtig, daß das Freie auch frei getan werde, daß die Freiheit nicht als bewußtloser Naturinstinkt der Gesellschaft herrsche [Wie bei Ihnen, Eff]) eben weil er die objektive Freiheit nicht als Verwirklichung, als Bestätigung der subjektiven hingestellt hat. Weil er dem präsumtiven oder wirklichen Inhalt der Freiheit einen mystischen Träger gegeben hat, so bekommt das wirkliche Subjekt der Freiheit eine formelle Bedeutung.“

  4. Samuel von Reiflingen schreibt:

    Ach, und weil ich gerade gesehen habe, dass ich hier womöglich auch von antideutschen Stalinisten wie Lyzi hinsichtlich meiner Geeignetheit für den Gulag geprüft werde, muss ich jetzt noch ein Marx-Zitat bringen, bevor ich weiter darüber nachdenke, ob seine halböffentliche Forderung nach Erschiessungskommandos bloss subjektive Menschenverachtung oder doch schon objektiver Faschismus ist.

    „Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr völlig untergeordnetes Organ zu verwandeln, und auch heute sind die Staatsformen freier oder unfreier in dem Maß, worin sie die Freiheit des Staates beschränken.“ (Marx, zur Kritik des Gothaer Programms)

    In einigen wichtigen Dingen haben die antikommunistischen Vereinigten Staaten von Amerika der Marxschen Kritik einfach besser zur Verwirklichung verholfen, als die antikommunistische SU unter Stalin.

  5. Samuel von Reiflingen schreibt:

    Ich habe einen Fehler gemacht. Ob Sie bitte, Ina, den ersten Abschnitt meines Beitrags löschen könnten? Das wäre sehr freundlich. Es geht niemanden etwas an, worüber ich nachdenke. Über die Resultate kann diskutiert werden, mehr nicht. Und ich habe momentan noch keine. Lyzi hat mich ver-zweifelt.

    S. v. R.

  6. „Ach, und weil ich gerade gesehen habe, dass ich hier womöglich auch von antideutschen Stalinisten wie Lyzi hinsichtlich meiner Geeignetheit für den Gulag geprüft werde…“

    Grundgütiger!
    Als würden wir antideutschen Stalinisten jemanden hinsichtlich seiner Geeignetheit für den Gulag auch noch PRÜFEN! Wir schmeißen doch prinzipiell JEDEN EINFACH SO direkt in den objektiv faschistischen Menschenvernichtungs-Themenpark; als benötigten wir dafür Eignungstests oder Gründe, LOL!

  7. nachdenklichekrankenschwester schreibt:

    Bester Freiherr,

    ich gestehe, dass ich immer einige Schwierigkeiten habe, die Zeilen, die Sie mir zuwidmen und für deren Zuwidmung ich Ihnen auch all meine Huld und Dankbarkeit zu Füssen lege, dass ich also stets einige Not habe, den Sinn dieser Zeilen zu erfassen. Sie drücken sich so überaus verwickelt aus. Sehen Sie, oben schrieb ich: Erste Pflicht jedes Intellektuellen ist Verständlichkeit. Ich sage das ja nicht aus Jux. Es hat zweierlei Bewandnis mit diesem Imperativ: Erstens bin ich überzeugt, dass die Arbeit des „Ausschnitzens“ eines Gedankens bis zur Verständlichkeit – ich meine nicht Trivialisierung oder Simplifizierung, sondern Befreiung von Unwesentlichem – dass diese Mühe nicht allein eine Mühe des Formulierens ist. Sie ist die eigentliche Mühe des Denkens. Zweitens, aber das nur nachgeordnet, wird die Kontagiösität eines Gedanken beträchtlich gesteigert, wenn man ihn gut formuliert. Das hilft ihm im ewigen Kampf der Ideen.

    Mein Eindruck – denn zu einem wirklichen Verständnis, wie gesagt, reicht es bei mir leider nicht – mein Eindruck ist, dass wir zwei verschiedene Dinge behandeln. Ihr Gegenstand ist die Freiheit, meiner der freie Wille. Beides sind eigentlich mehr oder minder feststehende technische Termini in der Philosophie; zwar gibt es innerhalb der bezeichneten Topoi gewisse Streitigkeiten um die Grenzziehung derselben, doch ist die Rivalität zwischen ihnen eher klein. Sie erheben glücklicherweise keinen Anspruch auf den selben Geltungsbereich.

    Ich gebe zu, dass mein Aphorismus missverständlich ist; das kommt aus meiner Sucht, kurz zu sein. Richtig müsste es heissen: Freier Wille ist die Illusion etc., wobei wir alle wissen, dass Illusionen durchaus Teil der Realität sind. Von der Freiheit, die sie meinen, der gesellschaftlichen und individuellen Freiheit, weiss ich eigentlich gar nicht viel. Intuitiv würde ich mein begriffliches Lasso ungefähr in diese Richtung auswerfen: Freiheit betrifft die tatsächlich vorhandenen Handlungsmöglichkeiten der Individuen in einer Gesellschaft und zwar in Bezug auf ihre selbstformulierten Ideale.

    Das soll nichts sein, keine Definition, keine Theorie: So geht man eben los, wenn man etwas bestimmen will. Man setzt etwas und lernt, indem man die Grenzen des Gesetzten auslotet, den Gegenstand genauer zu bestimmen. Kann sein, man langt am Ende beim Gegenteil seiner ersten Setzung an. (Wann dieses Ende ist: Wenn man eine gewisse Ordnung herstellen konnte; Kohärenz im Grossen, Plausibilität und Anschaulichkeit im Kleinen. Jedes Ende ist vorläufig aber notwendig.)

    Worum ich Sie bitten würde: Lassen wir künftig dieses „Sie fallen hinter Hegel zurück“ und, weia weia, sogar hinter Marx. Niemand kann sehr viel besser denken, als er denkt. Man muss ja jeden Schritt seiner geistigen Werdung selbst vollziehen. Sollte ich dabei noch weit hinter den Denkern zB. des 19. Jahrhunderts liegen, dann bedeutet das gar nichts. Erstens, Aristoteles zB. war grösser als diese beiden und dennoch im Begrifflichen, sintemal der Freiheit hinter denen. Zweitens, selbst wenn ich nicht die weibliche Wiedergängerin des Aristote wäre, könnte ich dennoch auch im Rückgriff vor das 19. Jh. gross sein: Es gab auf fast jeder Stufe der menschlichen Entwicklung Gedanken, die vielleicht nur kleine Knospen am ideengeschichtlichen Baum sind und durch die intensive Sonne eines starken Geistes zu voller Wirkmacht sich entfalten können. Jeder Gedanke braucht eine Nische, ein geschichtliches Milieu, in dem er gedeiht. Es gab Zeiten, da waren die Griechen moderner als die Römer. Ich würde fast sagen, die meiste Zeit. Ausser, nagut, in römischer Zeit. Aber vielleicht nichteinmal in der.

    Eines noch: NvU ist ein verbaler Kraftmeier. Man muss auch den Reiz der Sache sehen können. Ich finde das in gewissem Grade nachvollziehbar, wenn einer ständig „Rübe ab!“ brüllt. Die Menschen sind ungeduldig, was den Fortschritt betrifft und sie neigen zu Übertreibungen. NvU ist sicher kein Faschist. Er ist ja nichtmal ein Stalinist. Er ist ein unzufriedener Mensch, dem das herumbrüllen etwas hilft. Immerhin hat NvU begriffen, dass der radikale Pazifismus die bürgerliche Verbrämung des Wunsches nach ewigem Erhalt der, nunja, bürgerlichen Verhältnisse ist. Dem setzt er, wie ich ihn verstehe, eine „Revolutionsethik“ entgegen, die sagt, Gewalt muss sein, wird auch sein, wenn sie der Einrichtung schönerer, vernünftigerer, menschlicherer Verhältnisse dient. Ich falle dieser Eischätzung bei. Zwar gibt es derzeit keine viable Alternative, welche die Anwendung von Gewalt rechtfertigte, aber das kann sich schnell ändern. Sowas kommt immer sehr schnell, wenn es kommt. Noch befinden wir uns in der Phase einer Reorganisation der Produktivkräfte und des Handels. Im Zuge dieser Prozesse wird die Unlust am Bestehenden allgemein werden; weil es tatsächlich hemmt. Und dann, im Fall das Bestehende durchaus nicht werden will, wie dichtet es Majakowski so charmant: Rede, Genosse Mauser!

    PS: Ihrer Bitte um Entfernung des Comments hätte ich selbstredend entsprochen, wenn nicht NvU ihn schon zum Gegenstand seiner Replik gemacht hätte. Nun kann ich sie nicht tilgen, ohne NvU zu zensieren und das wiederhin täte ich nur ungern.

  8. „Er ist ja nichtmal ein Stalinist.“

    Ich verbitte mir eine solche Verleumdung!

    Und zitiere Frau Eff höchstselbst:

    „Alle Ideen eines „demokratischen“ (oder sonstwie aufgehübschten) Sozialismus sind romantische Trotzanfälle. Ich verstehe nur eines nicht: Wenn ein Wirrkopf in einer Dorfkaschemme nach Sushi oder Haute cuisine verlangt, wird jeder bereit sein, Hohn und Gelächter über den Kerl auszugiessen. Warum giesst keiner über die Bestweltwoller?“

  9. Ah, jetzt kommt mir der Neffe mit mirselbst. Wie unfair!

    Also, zum Stalinisten, lieber Neffe, hast Du ja vielleicht sogar das Herz, aber ganz bestimmt nicht den Kopf. Kann ja noch werden.

    Was mein Zitat betrifft: Das war v.a. gegen solche wie Havemann, bzw. sein minderbemitteltes Gefolge, die Bürgerbewegten. Die haben sich stets so gegen die DDR betragen, wie ein Ehemann, der von seinem Weib wünscht, dass es doch diese oder jene lästige Eigenheit nicht hätte: Als ob das Weib es selbst bliebe, wenn man von ihm ein paar Scheiben abschnitte; als ob nicht das System nur als Ganzes verdiente, System genannt zu werden; als ob nicht jede Bindung, auch an ein Gesellschaftssystem, ein Kompromiss wäre.

    Diese Leute wollten immer das beste aus allen Welten zusammenstellen, so eine Art best-of-Gesellschaft. Wirklich, ich glaube, es ist kein Zufall, dass dieser Gedanke just zu der Zeit in Schwang kam, als die Plattenindustrie das Best-of-Album erfand; es ist die selbe blödsinnige Idee, von noch einfältigeren Leuten gekauft.

    Gruß, best-of-Frau

  10. Samuel von Reiflingen schreibt:

    Ich habe geschnitzt.

    Gesellschaft, wo sie bisher vorkam, ist die Vereinzelung der Menschen bzw. die Warenform der Arbeitsprodukte. Der Vernunft liegt das autonome Subjekt zugrunde. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es die Maxime des eigenen Handelns zum allgemeinen Gesetz erklären möchte. So denkt der einzelne Mensch als der, der er nicht ist, als Staat. Freiheit ist objektiv die Einrichtung des Staates, dem der politische Wille der Staatsbürger gleichgültig ist und subjektiv die Fähigkeit die Objektivität des eigenen Denkens zu durchschauen und es als Falsches zu erkennen.

    • Ich versuche zu interpretieren. Es gäbe, sagen Sie, eine subjektive und eine objektive Freiheit. Obwohl das ganz der umgangssprachlichen Beschreibung von Freiheit entspricht, weiss ich nicht ob ich dem folgen würde. Die strikte Trennung objektiv/subjektiv ist ja sowieso eine Übertreibung; etwas rein objektives gibt es genauso wenig, wie etwas rein subjektives. Es gibt lediglich unterschiedliche Grade der Zugänglichkeit von Phänomenen. Aber das nur am Rande.

      Rede ich zuerst von der subjektiven Freiheit. Die bestünde in der Einsicht, dass sich die leitenden Prinzipien eines Menschen nicht zum allgemeinen Gesetz erheben lassen. Stattdessen, und jetzt kommt die objektive Freiheit, würde das allgemeine Gesetz vom Staat herkommen, der sich um die Maximen des Einzelnen nicht bekümmern soll. Habe ich das soweit richtig?

      Und woher, beginne ich meine Kritik, woher soll der Staat denn das allgemeine Gesetz nehmen? Wer ist denn der Staat? Er kommt ja nicht von ausserhalb; er ist menschgemacht und also werden in ihm stets auch die Maximen Einzelner verhandelt. Gewiss, der Staat bekümmert sich nicht um jedes Menschen Meinung. Soll er auch nicht. Aber irgendwie will er ja regeln, erhalten und im besten Fall behutsam weiter entwickeln, was zwischen Menschen geschieht. Dies ist seine Funktion, darin, meine ich, liegt die Freiheit, die er garantieren kann. Freiheit, aus staatlichem Blickwinkel, heisst Berechenbarkeit. Natürlich gehört dazu, die Maximen, die im Schwange sind, zu diskutieren, d.h. ihnen aufzuerlegen, dass sie sich im praktischen Diskurs bewähren müssen. Das ist jedoch etwas anderes, als Ignoranz, wie Sie sie fordern.

      Soweit für jetzt.

      • Samuel von Reiflingen schreibt:

        Beste Eff,
        Ich habe geschrieben, dass Freiheit subjektiv und objektiv ist, nicht, dass es eine subjektive und objektive gäbe. Ich möchte das erklären. Freiheit, als Abwesenheit von Zwang, bedarf der Trennung von Subjekt und Objekt, die, wie Sie selber schreiben, nur als gedachte bestehen kann. Denn das Subjekt ist bereits gesellschaftliches Produkt und somit objektiv bestimmt. Lyzi, der Ideologe der Subjektivität, zeigt das weiter oben sehr gut. Natürlich müssen die Bauern, bevor sie Staatsbürger werden, durch den stalinistischen Menschenvernichtungs-Themenpark, den Marx an der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals in England studiert hat. Natürlich müssen die barbarischen Triebe, die jeder Mensch als Mal der Vorgeschichte der Menschheit mit sich trägt, tabuiert und sublimiert werden, was nur durch Identifikation mit dem Vater, die das Über-Ich bildet, geschehen kann. Familie als Keimzelle der Gesellschaft macht die Väter zum Staat im Kleinen. Die Verinnerlichung der Zwänge, die sie ihrem Kind auferlegen ist die Verinnerlichung des Staats durch die Subjekte und damit die Grundlage dafür, dass vom Menschen an sich, der immer Staatsbürger ist, gesprochen werden kann. Der Staat ist nicht, wie Sie schreiben, menschgemacht, sondern der Staat ist, was den allgemeinen Menschen, den Menschen des Menschenrechts, macht. Er ist der Zwang, der zugleich in den Subjekten als auch außerhalb von ihnen existiert. Dass er außerhalb von ihnen existiert, spiegelt sich darin, dass das Über-Ich als eine Instanz auftritt, über die der sich seiner selbst bewußte Mensch keine Gewalt hat, sondern die auf ihn Gewalt ausübt. Das Über-Ich zeigt, dass die vernünftige Allgemeinheit, die die bürgerliche Gesellschaft zu einer solchen werden lässt, auf einer Grundlage besteht, deren fetischisierte Gestalt wider die Vernunft ist. Diese Grundlage ist der Staat, der von Menschen gemacht ist, weil er sich als verdinglichtes Resulat ihres gerade wegen dieser Verdinglichung unreflektiert bleibenden gesellschaftlichen Handelns aus diesem ergibt. Mit Tomas Hobbes: Staatlichkeit ist die nie gemachte Übereinkunft der Staatsbürger, dem keinen Beistand zu leisten, gegen den sich die herrschende Gewalt richtet. Dieses Verhalten, ohne das die Gesellschaft sich sofort im Bürgerkrieg selbst auflösen würde (weil nämlich in jedem Citoyen ein Kreuzberger Lump steckt, der, wenn er Gelegenheit dazu erhält, mit seinesgleichen plündert, und hinterher seinesgleichen plündert) zeigt, dass die Grenze der Freiheit des Subjektes beides ist: subjektiv wie objektiv. Der Staat ist der Religion verwandt, weil er etwas ist, dass zugleich unabhängig vom Subjekt besteht, als auch nur darin besteht, dass es ihn denkt. Er ist die zugleich objektive und subjektive Grenze der Freiheit, mithin das, was sie bestimmt. Freiheit ist somit nicht einerseits objektiv, andererseits subjektiv bestimmbar. Sie ist überhaupt nicht bestimmbar, ansonsten sie keine wäre. Als nicht bestimmbare ist sie negativ bestimmt als das Jenseits der Objektivität des Subjekts.

        Sie haben mich eben falsch verstanden. Ich schreibe ja nicht, was Freiheit sei, sondern nur, was sie nicht ist. Im Gegensatz zu Ihrem Freiheitsbegriff streiche ich sie eben nicht durch. Das, was ich Freiheit genannt habe, besteht nicht in einer irgendwie festlegbaren Einsicht, die nichts weiter als der geistige Widerschein der Anpassung ans objektiv gegebene ist, sondern in einer Negation des objektiv gegebenen. Sie ergibt sich aus einer Abschaffung: des Über-Ich, das der vernünftigen Einsicht des aufgeklärten Menschen weicht und des Übervaters durch eine Gesellschaft, die des Schreckens und der übernatürlichen Gewalt des Staates nicht mehr bedarf und in der sich die Einzelnen somit ihrer Angst entledigen. Bei Marx hieß das, dass die Freiheit des Einzelnen die Bedingung der Freiheit aller sei.

        Das also ist die „Ignoranz“, die ich fordere. Ja, es stimmt: Ich will, das die Menschen sich ihre eigenen Gedanken machen, ohne jemand, der auf sie aufpasst. Z.B. Ihnen könnte es nicht schaden. Während Sie nämlich schreiben, dass der Staat „regeln, erhalten und im besten Fall behutsam weiter entwickeln, was zwischen Menschen geschieht“ will, merken sie nicht mehr, dass sie sich belügen, dass das nicht ist, was der Staat will, sondern Sie.
        Schauen sie sich den Tread oben an. Sie hätte mich längst verbal hinrichten können für die Arroganz, mit der ich mich in ihrem Blog breit mache. Was machen Sie? Sie regeln, erhalten und entwickeln behutsam weiter. Das spricht noch nicht mal gegen Sie. Was gegen Sie spricht, ist, dass, weil ihnen Freiheit nichts ist als die Illusion, selbst zu entscheiden, was sie schreiben, es der Staat sein muss, der will, was sie tun. Das, was Sie als seine Funktion wähnen ist deshalb so funktional, weil Sie sich selbst nicht eingestehen wollen, dass es ihr eigenes, aus freier Entscheidung heraus getätigtes Handeln ist. Dadurch gerinnt, wird es wirklich zur Funktion und gibt ihre Subjektivität der Objektivität, von der, um zu bestehen, sie sich befreien muss anstelle ihr zu verfallen, preis. Der Ideologe der Subjektivität, Lyzi, kann darüber schweigen, weil er als rechter Hegelianer an ihr nur den Zwangscharakter, d.h. Stalins Politik zu schätzen weiß.

        Im Übrigen behalte ich ungern recht. Z.B. auch nicht damit: „Der Vernunft liegt das autonome Subjekt zugrunde. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es die Maxime des eigenen Handelns zum allgemeinen Gesetz erklären möchte. So denkt der einzelne Mensch als der, der er nicht ist, als Staat.“
        Nur machen sie leider mit dem, was sie schreiben nichts, um mich zu entkräften.

        Sie denken vom Staat in etwa so, wie der Katholik von Gott. Dass ich jenem den Vorzug ihnen gegenüber gebe, liegt auf der Hand. Gott, das ist der Übervater, der bei meinem Christenmenschen darauf achtet, dass er sich an die zehn Gebote hält, d.h. ein nicht ganz verkommener Mensch wird. Ihr Staat hingegen, sie schreiben es selbst und es stimmt auch, ist in der Lage, alle möglichen Maximen zum allgemeinen Gesetz zu erheben. Wenn sie sich im praktischen Diskurs bewähren, sind sie ihnen recht, genau wie die Gewalt, die nichts anderes ist als der praktische Diskurs, d.h. der Ausschluss der Einzelnen aus der Gesellschaft durch ihre Formierung als ihr Gegenteil, Gemeinschaft. Sie wissen, dass sie sich schnell auf eine Seite schlagen müssen:
        „Zwar gibt es derzeit keine viable Alternative, welche die Anwendung von Gewalt rechtfertigte, aber das kann sich schnell ändern. Sowas kommt immer sehr schnell, wenn es kommt.“
        Dass es Ihnen nicht so sehr auf die Wahrheit ankommt, und die Wahrheit des Staates ist wie die der Religion seine Negation, zeigen Sie ja selbst aller Welt durch den Gebrauch der konstruktivistischen Vokabel, der es nicht darauf ankommt, ob ein Weg richtig ist oder falsch, sondern nur darauf, dass er gangbar oder funktional ist, genauso funktional wie der Staat, der bei Ihnen die Subjektivität ersetzt und im allerbesten Falle, wenn Ihnen das gerade viabel erscheint, behutsam weiterentwickeln will.

        Die Maximen des Staates werden im Diskurs von genau den Leuten ausgefochten, die als die denken, die sie nicht sind, als Staat also; die wollen, dass ihr fröhliches ressentimentverfrachtendes Geplapper zur Staatsräson wird. Im praktischen Diskurs bewährt sich alles Mögliche, nur nicht der Einspruch gegens Unheil, dem die Diskutanten feindlich sind, weil er ihr Geschwätz als das Mittun bloßstellt, das es ist. Im praktischen Diskurs der Deutschen, den Sie anstelle von Ignoranz fordern, bewährte sich beispielsweise, dass die normale Bevölkerung gar kein so großes Mitleid empfand, als ihre Volksgenossen die jüdischen Nachbarn abholten, von denen sie schon wussten, dass sie nicht wiederkommen würden, weil sie es hofften.
        Im praktischen Diskurs, der etwas ganz anderes ist, als die Ignoranz, die ich fordere, bewährt sich heute der Islamist, Frauen- ,Judenfeind und Verbrecher namens Bushido, gegen den auch ein Horst Seehofer, der regeln, erhalten und behutsam weiterentwickeln möchte, nichts auszusetzen hat, anstelle der Ignoranz, die ich fordere, um nicht die öffentliche Hinrichtung dieses auch schon mal praktisch werdenden Diskursführers verlangen zu müssen.
        Im praktischen Diskurs bewährt sich ein Ministerpräsident Wulff, der an Horst Köhler schätzt, dass er sich mit der Mehrheit der Bevölkerung darin einig ist, dass Spekulanten „Monster“ seinen genauso wie ein Joachim Gauck, der die „Bürger“ mehr an den Staat binden, d.h. zu politischem Engagement bewegen und den Staat an die Bürger, d.h. zur Verstaatlichung des Ressentiments beitragen möchte. Ganz in Ihrem Sinne, d.h. gegen eine Ignoranz, wie ich sie fordere.

        Soweit für später.

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