Freunde, ich greif jetzt mal tief in die Trickkiste der hinkenden Vergleiche: Wisst ihr eigentlich, was ein Eiweiss ist? So ungefähr bestimmt: In der Regel nämlich ein sehr großes Molekül, das in Zellen hergestellt und, sobald fertig, an einen bestimmten Ort transportiert wird, wo es dann eine biologische Funktion erfüllt. Handelt es sich bei dieser Funktion um eine chemische Reaktionen, nennt man das Eiweiss auch Enzym. Jedes Enzym hinwieder besitzt eine Stelle, die in informierten Kreisen das „reaktive Zentrum“ geheissen wird und an welcher die chemische Reaktion stattfindet, deren Bewerkstelligung Funktion eben dieses Enzyms ist.
Nun verhält es sich, dass das reaktive Zentrum enorm klein ist, wenn man es es mit dem Rest des Eiweisses vergleicht. Also viele tausend mal kleiner. Die Frage, um die es jetzt natürlich geht, lautet: Was von dem riesigen Eiweiss-Rest, der jetzt nicht das reaktive Zentrum ist, ist eigentlich tatsächlich notwendig, damit das Enzym funktioniert? Ist der gesamte Apparat notwendig (wie zum Beispiel die Teile einer Motorsäge nötig sind, obwohl der eigentliche Sägevorgang nur an der winzigen Schneide des Sägezahns stattfindet) — oder kann man einen Teil fortlassen?
Ist das Eiweiss vielleicht nur deshalb so groß, weil auch der dysfunktionale (?) Rest ein „Interesse“ daran hat, immer wieder hergestellt zu werden und zu existieren, obwohl es für die Funktion des Enzyms gar nicht notwendig wäre? Kann man die Evolution sozusagen auch als fortgesetztes Gezerre um den Abwurf bzw. Behalt von Ballast verstehen? Derart, dass da massig Gensequenzen sozusagen voll einen auf wichtig und dicke Hose machen, obwohl sie, wenn die Zelle mal richtig drüber nachdenken würde (okay, vielleicht mit kleinen Umbauten) total entbehrlich sind? Oder ist der Luxus des Sinnlosen überlebensnotwendig?
Tja, Leute. Und jetzt nehmt einfach mal Menschen an die Stelle der Atome und Aminosäuren und schon habt ihr den Hinkvergleich der Woche, wenn nicht des Monats! (Jahrzehnt geht auch) Das reaktive Zentrum, das sind natürlich die Kreativen und Innovativen, also die, die was Neues schaffen. So wie ja auch das reaktive Zentrum aus ollen Substanzen neue, wertvolle synthetisisert.
Und der Rest? Nunja. Dem Rest gab ich den Namen „Afterwelt“. Also „After“ von englisch „after“, also „nach“, nicht was ihr vielleicht gedacht habt. Ich will ja niemanden beleidigen, sondern das Verhältnis klären. Denn irgendwie ist klar, die Afterwelt lebt von den Erfindungen und Innovationen der Reaktivzentristen (hab jetzt mal keinen so schnafften Ausdruck für die. Vielleicht kommt ja einer von Euch mit einem Vorschlag um die Ecke.). — Also diese Leute haben die Dampfmaschine und das Geld und den Computer und das Flugzeug und eben all das erfunden. Wenn wir mal für den Moment die Kunst beiseite lassen (sry!) und den Mensch als das „werkzeugmachende Tier“ ansehen, dann steht ja wohl die Frage, wer das Werkzeug tatsächlich macht?! Der es sich ausdenkt und verbessert, oder der es herstellt? Okee, beide. Zugestanden. Aber wie verteilt man die Credits?
Und jawohl, es ist auch klar, dass die Reaktivzentristen (wirklich, ich benötige da eines besseren Terms!); dass die nicht-Afterweltler also überhaupt nur existieren können, weil die Afterweltler ihnen die Bedingungen dafür schaffen. So Häuser bauen oder Autos oder Brot backen oder besagtes Flugzeug chauffieren. Nicht zu reden von Verwaltung, Banken und Staat und was eben dann noch an weltermöglichender Afterwelt existiert. Hingegen bei so Sachen wie: „Fachzeitschriften“, Unternehmensberatern, Werbeleuten, Ratingagenturen, Stiftungsgremien usw. usf. bin ich mir nichtmal sicher, ob selbst die Afterwelt sie braucht. Man staunt: Auch die Afterwelt hat eine Afterwelt. Deswegen 2.
Die eigentliche Frage soll hier nicht sein, wer wichtiger ist (voll kindisch), sondern, in welchem Verhältnis das idealerweise stehen sollte. 1 Innovateur, 2 Afterwelt? Anyone?