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Zeit für Grasswurzelnetzwerke?

Die Kolumnisten, die ich sehr für Ihre Pluralität schätze, haben ein „Manifest“ verfasst:

https://diekolumnisten.de/2018/02/08/manifest-fuer-einen-neustart-der-blogosphaere/

Manifest ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Aber es ist ein Gedanke. Eigentlich ein Wunsch. Der nämlich, Netzwerkstrukturen und Datenströme demokratisch, das heisst von unten, durch die Nutzer kontrollieren und gestalten zu können.

Daran, dass wir im Kapitalismus leben, muss ich keinen erinnern. Es gibt nur wenige Web-Phänomene, die halbwegs dauerhaft und trotzdem nicht profitorientiert sind. Eigentlich fällt mir nur Wikipedia ein. Der Wunsch, will ich sagen, ist bestenfalls fromm.

Obwohl. Es gibt vielleicht eine Möglichkeit. Die nämlich eine Technologie zu erfinden, mit der man plattform-unabhängig sozial interagieren und Datenströme aggregieren kann. Eine Art aufgebohrtes RSS. Also ich bin kein Spezialist in diesen Dingen. Mir schwebt eine Technologie vor, mit der man Webinhalte semantisch granularisieren und abonnierbar bzw auch aktiv pushbar machen kann und die gleichzeitig alle dazu relevanten Inhalte (vor allem natürlich Kommentare) wie ein Magnet wieder einsammelt. Der Nutzer kann einfache Regeln aufstellen, um diese Inhalte zu pullen und zu pushen (das wäre das Pendant zu facebooks „befreunden“).

Technisch scheint mir das einfach machbar. Das Problem läge darin, diese Technologie so intuitiv und einfach zu machen, wie einen Link oder eine Aggregations-Seite wie facebook. Das Ganze könnte zunächst als Browser-Plugin konzipiert werden. So ungefähr. Sehr ungefähr. Meine 2c zum Manifest.

(PS: Ist übrigens mein erstes Posting, das ich mal vollständig und ohne viel Federlesen im WordPress-Editor verfasst hab. Ging ganz gut.)

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9 Gedanken zu “Zeit für Grasswurzelnetzwerke?

  1. Ich glaube, mein Vorschlag, konsequent durchdacht, würde das Ende des Internets, wie wir es kennen, bedeuten, hehe. Vielleicht habe ich das Internet ja schon getötet. Denn die richtige Idee muss ja nur zur rechten Zeit geäussert sein, um ihre Sprengkraft zu entfalten. Nagut, wahrscheinlich auch in der richtigen Sprache; aber bevor ich es ins Englische übersetze, hier die Idee, leicht geschärft:

    Im Grunde bricht man die Strukturierung des Nets in fest anlaufbare Websites auf; stattdessen existieren Datenpakete, die ihren Empfänger selbst finden. Und die dazu gehörigen Kommentare (für die es auch einen eigenen Verteilungs-Modus geben muss, aber das ist zunächst minder wichtig).

    Angenommen, Euch interessiert die „Nachdenkliche Krankenschwester“, würdet ihr nicht mehr hierher surfen müssen, sondern, sobald hier was geschieht, taucht es in Eurem Browser auf. Ähnlich, wie der zentrale „News Feed“ bei facebook, nur ohne extra Server, auf dem das gespeichert wird und von dem ihr es anfordern müsst. Es kommt, wie eine Email, in den Feed und ihr könnt es, wenn ihr wollt kommentieren (oder weiterschicken etc.). Die Kommentare werden dann auch verteilt (und, je nach Einstellung, an ausgewählte Rezipienten oder alle gesandt).

    Dadurch, dass man im Grunde jeden Webinhalt auf diese Weise „movable“ bzw. „self-seeking“ machen kann, muss eigentlich niemand mehr Websites ansurfen. Insbesondere Social-Network-Sites würden überflüssig, weil das dann schon als Core-Funktion in den Browser eingebaut wäre (oder ins Betriebssystem, wie man will). Auf diese Weise würde man auch viel unsinnige Werbung loswerden und sich nur noch die Werbung liefern lassen, die man gern sehen würde; ähnlich wie beim Email-Fach könnte es eine Spam-Timeline geben, in die alles reinsortiert wird, was man nicht ausdrücklich bestellt/abonniert hat.

    Im Grunde gewinnt der Nutzer die Kontrolle über das Internet zu gewissen Teilen zurück. Anders, als über solche technologischen Neuerungen scheint mir das nicht machbar. Politische Willensbildung ist zu langsam dafür und zu sehr über Geld und Meinungsmache beeinflussbar. Das dauert ewig.

    Weil aber die meisten Leute ein Interesse daran haben sollten, Macht und Umfang der grossen Datenkraken zu beschränken; und weil gleichzeitig ein gewaltiges Plus an Comfort und „User-Experience“ entstünde (man muss nirgends mehr hinsurfen und hat immer alle seine Freunde, neuen Inhalte etc. an einem zentralen Platz) — deswegen sollten sich wohl ein paar Freaks finden, die das implementieren und in die Welt bringen. Dann würde die Idee zur „materiellen Gewalt“.

    Technisch ist alles, was man dazu benötigt zuerst ein ID-System, also eine Art Header, der an alle Päckchen, die man ins Internet injiziert angeheftet wird. Da steht der Absender drin, Art des Inhaltes und ein unique Identifier, der für die Zuordnung von Kommentaren, Links, Rückbezügen etc. wichtig ist.

    Dann benötigt man ein Netz von Verteilerstationen; das können die schon existierenden Relais-Server des WWW sein. Diese Server müssen nur das entsprechende Protokoll sprechen können. D.h. sie abonnieren und aktualisieren alle Adress-Zuordnungen (grosse Connection-Tabelle) und schicken die Information für jedes Paket entsprechend an seine Abonnenten weiter. Bei Ankunft am Empfänger lädt dieser anhand der Absende-Adresse das eigentliche Paket runter und meldet nach erfolgreichem Retrieval den Empfang an die Verteilerstation. Dort wird dann getrackt, welche Pakete bereits an wen ausgeliefert wurden (damit Pakete nicht mehrfch geliefert werden; grosse Echtzeit-Tabelle von Requests und Deliveries) etc. Wahrscheinlich ist diese ganze Hintergrund-Logistik keine einfache Aufgabe, aber da sie für RSS schon gelöst wurde, scheint mir das machbar. Im Grunde muss man, wie gesagt, RSS nur aufbohren, so dass es andere Datentypen transferieren kann und vor allem bidirektional wird (i.e. die eigentliche „Social-Funktion“ des Protokolls unterstützen, die im wechselseitigen Kommentieren-Können besteht).

    Und schliesslich gibt es noch einen Teil, der im Browser realisiert werden muss; der mit den Servern redet, die Päckchen und Kommentare hoch- und runterlädt; sie graphisch aufbereitet und dem Nutzer präsentiert und als GUI für alle Einstellungen, die der Nutzer vornimmt, fungiert. Klingt nach ner Menge, ist aber in der Hauptsache „nur“ ein Zusammenschalten von schon existierenden Lösungen. Klar, über bestimmte Details muss man noch eingehender nachdenken, vor allem diejenigen, die geschwindigkeitskritisch sind und diejenigen, die die User-Experience betreffen (muss um vieles einfacher als facebook sein). Is aber alles machbar. Ich tippe mal auf die mozilla-Leute, die sind die beste Adresse dafür; und sie können es auch sofort in Firefox einbaun. Mal sehn, wie man das anbringt.

    Aber das ist erstmal die Idee. Eigentlich ganz einfach, näch?

  2. Gerade hat mein Handy gepiept (Reaktion auf mein elektrisches Postkörbchen). Sodann habe ich es am PC aufgemacht, den Link angeklickt und schließlich deinen Kommentar gelesen.

    Frage: du beschreibst einen Push-Dienst. Wie unterscheidet der sich vom System, das mich gerade beinahe automatisch auf deine Seite befördert hat?

  3. Fast gar nicht. Sag ich ja, einfach. Nur darin sehe ich Unterschiede, dass ich (1) nicht zwingend eine Website benötige, um Inhalte einzugeben oder zu kommentieren, sondern sowohl über den Browser direkt was „posten“ (injizieren, abschicken, nenn es wie Du willst) kann, als auch über Websites // und (2) alle Inhalte kommentierbar werden und zwar so, dass die Adressaten dieser Kommentare ähnlich wie bei fb wählbar sind (nur Urheber, nur Freunde, nur Freunde von Feunden, alle). Und (3) schliesslich, dass alles in einem speziellen Fenster Deines Browsers geschieht, ohne dass Du hersurfen müsstest; ja ohne, dass man WordPress überhaupt benötigt.

    Ausserdem muss man noch über die Zeit-Dimension nachdenken. Dadurch, dass
    Inhalte im Prinzip wieder aus der Öffentlichkeit verschwinden würden, sobald sie an alle Abonnenten ausgeliefert sind, entsteht ein seltsames Zeit- und Lückengefüge; das müsste man vermutlich etwas glätten. Zur Not existieren ja auch die Urheber-Websites, die man ansurfen könnte und die dann quasi als Archiv aller Inhalte dienen könnten, aber da gibt es bestimmt noch ein paar Dinge, die man verbessern könnte.

  4. Nee, mehr als das. Es ist eine andere Art, Inhalte zugänglich zu machen, als via Website. Ausserdem ist eine andere Art, „sozial zu interagieren“ (schlimme Art, zu sagen, dass man miteinander reden und sich links und Inhalte zukommen lassen kann). Der Clou ist, dass man keine Websites oder Provider für soziale Netze mehr braucht; das Internet *ist* dann das soziale Netz. Folglich gäbe es auch keine privaten Server mehr, die all Deine Inhalte hosten (und „profilen“ und verkaufen). Alles geht letztlich Peer-to-Peer oder wird im Hintergrund von den Webseiten und Providern abgeholt. Was im Weiteren damit geschieht (alle Kommentare etc.) bleibt unter den Nutzern und den Anbietern verborgen. Das ist schon sehr viel mehr, als nur eine Bedienoberfläche. Es gibt auch niemanden, der weiss, wer mit wem über irgendwas redet, geschweige denn, was. Es wäre der Tod für facebook, aber zunächst auch ein ziemlicher Geld- und Machtverlust für andere grosse Websites. Wenn ich zB. Inhalte von SPON abonnieren kann, anstatt hinzusurfen, würde niemand mehr da Werbung schalten wollen (bzw. sehr viel weniger Werbekunden). Nun könnte man fragen, warum SPON das überhaupt machen sollte? Die Antwort lautet: Weil die meisten Leute die meiste Zeit in ihren sozialen Netzen abhängen und SPON einfach mehr Reichweite und Aufmerksamkeit bekäme, wenn sie Inhalte in diese Netze einspeisen. Sofern könnte es wieder lukrativ werden, sofern es Ihnen gelingt, Traffic über diese Inhalte auf Ihre Seite zu lenken. Muss man sehen.

    Ich will auch nicht Websites als solche ersetzen. Das geht nicht. Sachen wie Wikipedia abonniert man nicht, da schlägt man nach wie vor nach. Aber das Soziale Netzwerken, das könnte man sozusagen technisch schon auf einer sehr viel tieferen Ebene ins Internet integrieren, als momentan, wo es auf prrivat gehosteten Websiten, Datenbanken etc. basiert.

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