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Lobster Award

Felix Bartels, meine andere Hirnhälfte, nominierte mich soeben für den im Titel genannten Award.  So sehr hat er mich gelobt – man könnte auch „gelobstert“ sagen – daß ich die moralische Pflicht nicht mehr abschütteln konnte, seine Nominierung anzunehmen. Und willfahre ihr untenstehend durch Beantwortung elfer Fragen:

1. Was sind die Zutaten eines schönen Abends?

Man nehme: Eine zugeneigte Person im Zustand neugieriger Offenheit. Sodann: Eine unbekannte, aber reizvolle Kulisse. Vor diese führe man jene. Das ist die Grundsubstanz. Alles scheint in heiteren, beschwingten Bahnen zu verlaufen. Doch dann kommt die eigentliche Würze: Ein unvorhergesehenes, skurriles Begebnis. Eines, mit dem niemand rechnet. Eine dadaistische Intervention. Anfolgt auf diesen Blitz aus heiterem Himmel ein bisschen Erleichterung, ein bisschen Kartharsis, ein bisschen Fremdheit, kurz, eine Ahnung von der eigentlichen Intensität des Lebens. Zum Nachtisch, je nach Laune und Person, Geschlechtsverkehr.

2. Das schönste Stück Lyrik, das du je gesehen, bitte: (nicht zitieren, nur Autor, Titel)

Gesehene Lyrik? In dem Fall wahrscheinlich Morgenstern, Die Trichter.

3. Sind ästhetische Werturteile objektivierbar?

Nein. Es gibt aber die Möglichkeit den ästhetischen Genuß durch Wissen und Erfahrung zu steigern und dadurch zu Urteilen höherer Gültigkeit zu gelangen. Gültigkeit im Sinne überprüfbarer Wirklichkeit ist nicht erreichbar. Nachvollziehbarkeit eines Urteils und unendliche Überfeinerung desselben hingegen manchen. Die Kritiker sind die besten, deren Kritik selbst von Kunst; die Werturteile die gültigsten, deren Fällen selbst selbst von hoher Kunstfertigkeit zeugt.

4. Kann man sich je freimachen von Ideologie?

Nein. Es ist auch nicht nötig. Erkenntnis und Fortschritt ereignen sich stets im falschen Bewusstsein; als dessen Berichtigung nämlich. Ein ideologieloses Denken kann es genauso wenig geben, wie die absolute Wahrheit. Hier ist kein Platz, das zu begründen; aber im Grunde reicht der Hinweis, dass es keine Methode gibt, sich von der Ideologielosigkeit des eigenen Denkens zu überzeugen, als eben durch: Denken. Mehr als das kann uns die Erkenntnis, dass unser Denken stets mit Ideologie kontaminiert ist, nicht vermitteln, als diese Aufforderung, noch schärfer hin zu denken. Der Gedanke fügt der Aufklärung in Wirklichkeit kein Jota hinzu. Im Gegenteil. In der Regel bleiben die Ideologiekritiker hinter den Aufklärern in der Erkenntnishöhe zurück. Klaftertief zurück.

5. Hast du ein Lebensthema? Wenn ja, welches?

Nein. Es gibt eine Anzahl Themen, die mich immer wieder zur Beschäftigung anhalten; die drei wichtigsten sind sicher die Liebe, die Wissenschaft und die Politik. Sie stellen sich stets aufs Neue in ganz unterschiedlichen Fragen dar. An diesen Themen kommt vielleicht schattenhaft ein Lebensthema zum Ausdruck, nämlich ein unstillbarer, fröhlicher Erkenntnisdrang. Neugier, im wortwörtlichen Sinne; begriffen, wie in der eingänglichen Frage nach dem schönen Abend, als Lebensintensität. In der Wissenschaft ist der Ekenntnisdrang ganz offensichtlich; die Liebe aber ist ganz ähnlich, der Drang nämlich einen Menschen zu erkennen; und in Fragen der Politik geht es oft darum, das Erkannte anzuwenden.

6. Blitzantwort: Kant oder Hegel? Mozart oder Stockhausen? Kochen oder Essen?

Hegel, Mozart, Kochen.

7. Ein Blick in Brechts Lehrstücke: Angenommen einer könnte, indem er sich opfert, das Überleben einer Gemeinschaft retten – sollte er es tun? (Mr. Spock sagt: ja)

Mir doch egal.

8. Abgesehen von Günter Grass: Welcher Dichter der Gegenwart (20./21. Jh.) ist am abstoßendsten?

Zu den großen Widerlichen der Gegenwart gehören: Uwe Tellkamp, Elfriede Jelinek und die Potthässliche mit den Halbwesen. Ich bin zuversichtlich, dass die Liste noch anwachsen wird.

9. Die drei besten Kinofilme aller Zeiten sind:

Charlie Chaplin – Modern Times
Emir Kusturica – Underground
Ridley Scott – Alien

10. Gehört der Tod abgeschafft?

Ich bin ein erklärter Todfeind. Er ist mir unheimlich und grässlich. Ich müsste allerdings die Konsequenzen ewigen Lebens ersteinmal gründlich durchdenken. Wenn ich mir dafür ein bisschen Zeit ausbedingen dürfte? Sagen wir 800-900 Jahre? Das sollte vorerst reichen.

11. Worauf kömmt es an: die Welt zu interpretieren oder sie zu verändern?

Ich bin Philosoph. Der Philosophen Absicht ist stets, die Welt, indem sie sie interpretieren, zu verändern.

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Soweit die Antworten. Der zweite Teil des Lobster-Awards (11 Fragen + Nominierungen) folgt in Kürze.

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Frieden-Krieg-Führer (auf einem Blatt)

Reden wir vom Krieg. Er ist der näxte Halt der Achterbahn „Geschichte“. Zum Krieg rät sich ein Führer an. Ich habe einen für Sie verfasst.

Klappentext unseres Führers: Krieg ist das selbe wie Frieden, nur dass es andere Leute sind, die an der Sache verdienen. Mehr muss sich keiner merken, um sich in Krieg und Frieden leidlich zurecht zu finden.

Es gibt also immer diese und jene, Kriegsgewinnler und Friedensgewinnler. Der Rest ist eine Frage der Kräftebalance zwischen beiden.

Sie fragen ernsthaft, wie am Krieg gewonnen werden könne? Das ist einfach. Gewinnen kann man

– durch einfachen Raub. Land, Bodenschätze, Fabriken, Immobilien, Know-How, Arbeiter: All das läßt sich in Kriegen rauben.
– Ehrfurcht, Neid und Angst anderer Länder, bzw. potentieller Kriegsparteien.
– innenpolitische Gleichschaltung. Nichts und niemand entindividualisiert wie das Militär. Im Krieg wird Meinungsvielfalt zu Vaterlandsverrat. Staatsbürger üben Selbstzensur bis sie vor Verblödung ganz viehisch werden. Selbst das Wetter wird kriegsbedeutsam.
– durch Waffenverkauf, idealerweise an alle Kriegsparteien gleichzeitig. Auch die kriegsunbeteiligten Parteien kaufen. Sicherheitshalber.
– Bei Sieg: Die Statur und Gloriole einer historischen Gestalt. Schaffung nationaler Mythen. Innenpolitische Gleichschaltung auf weitere 20 Jahre.
– Und so weiter.

Die Frage also erübrigt sich. Der Krieg kann den Krieg sehr gut ernähren. Die Frage, mit anderen Worten, kehrt sich um. Wie kann am Frieden überhaupt verdient werden? Nun, man kann

– Arbeiten.
– mit Gütern handeln. Vorzugsweise mit Gütern, die keine Waffen sind und auch nicht zu Waffen verarbeitet werden sollen.

Das ist alles. Man sieht die Crux. Am Frieden verdient sich schwerer. Was in Kriegszeiten einfach geraubt werden kann, muss in Friedenszeiten mühsam gehandelt werden: Land, Bodenschätze, Immobilien, Know-How und Arbeiter. Jeder konkurriert mit jedem. Widerstreitende Ansprüche werden anstatt durch Bomben und Granaten durch Gerichte gelöst. Nichts ist leicht.

Damit der Frieden den Frieden ernährt, müssen viele an ihm verdienen, indem sie in ihm arbeiten und handeln. Handel ist die Fessel des Krieges. Sind die Händler mächtig, herrscht Friede. Straucheln sie, wird der Krieg entfesselt. Was uns vom Krieg allein nur abhält, ist der Krieg zwischen Friedens- und Kriegsgewinnlern.

Zu jeder Zeit gibt es Überläufer. Der Frontverlauf ist unübersichtlich. Ein Banker wettet am Morgen auf den Händler und am Abend auf den General. Er ist der Erzopportunist, der, wen immer die Waage gerade begünstigt, zur lohnenden Investition erklärt.

Es wird nun der Händler seine eigene Krise produzieren. So verhält es sich im Kapitalismus. Des Händlers Profitraten fallen, seine Märkte sättigen sich. Kann er dem Banker glaubhaft machen, die Krise zu bemeistern, investiert der. Solange investiert wird, kann der Händler seine Krise verschleppen. Frieden ist Krisenverschleppung.

Niemand setzt den Frieden aufs Spiel, solange der die Hoffnung weckt, er würfe auch künftig Gewinne ab. Der Vorteil des Friedens liegt in seiner Berechenbarkeit. Natürlich nur, solange diese Berechnungen keine Krise anzeigen.

Wird die Krise ruchbar, schlägt die Stunde des Kriegstreibers. Der Banker wird misstrauisch. Dem Händler mangelt es zunehmend an Geld. Der Kriegstreiber weiss immer eine einfachere Art als der, Gewinn zu machen. Der Banker entsinnt sich zuerst noch, wie riskant sie ist. Der Kriegstreiber müht sich also, ihm das Risiko als beherrschbar aufzubinden. Er sagt: Urban warfare, lokale oder asymmetrische Kriegsführung, chirurgischer Eingriff. Er führt leistungsfähige Waffensysteme vor. Er verspricht alles.

Die Kräftebalance also, um die allein es geht, ist immer dann auf Seiten der Kriegstreiber, wenn die Gewinnaussicht aus den Geschäften der Händler kleiner ist, als die aus den Geschäften des Kriegstreibers. Weil aber der Händler seine Krise selbst herstellt, mündet es immer dort. Im Krieg.

Nun wissen Sie, wie Sie hinkommen.

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