Kindergeschichten

Wie Renate beinahe eine Kröte wurde

"Renate und die Kröte tauschten ihre Kleider." (c) 2008 Ekkehart Müller

"Renate und die Kröte tauschten ihre Kleider." (c) 2008 Ekkehard Müller

Morgen würde Renate sechs Jahre alt werden. Herrje, war Sie aufgeregt.

Eigentlich gefiel Renate durch Huld und Würde, aber wenn ihr Geburtstag nahte, dann konnte sie nicht einschlafen, selbst wenn die Eltern es befahlen.

Der Grund war natürlich, dass sie es nicht aushielt, endlich die Geschenke auspacken zu dürfen. Sie wusste auch schon genau, was darin sollte: Ein rosa Kleid mit Glitzer und Puffärmeln, dazu eine silberne Strumpfhose. Passend ein paar rote Ballettschuhe und – das war das wichtigste – eine Prinzessinnen-Krone.

Die Eltern hatten langweilige Vorschläge gemacht, was Renate sich besser wünschen sollte: Eine Schreibtafel mit Kreiden. Neue Malfarben mit sauberen Pinseln. Knete, die nicht ausgetrocknet war. Und so weiter.

„Liebe Eltern“, hatte Renate versetzt, „ich muss den Eindruck gewinnen, dass ihr mich nicht ernst nehmt.“

Dieses Tadels wollten die Eltern nicht schuldig sein. So kam es, dass Renate in ihren Geburtstagspaketen genau das Prinzessinnen-Zubehör fand, das sie sich gewünscht hatte. Rosakleid mit Glitzer und Puffärmeln, Silberstrumpfhose, dazu die roten Schuhe. Und die Krone.

Renate jubelte: „Vater!“, rief sie ein ums andere mal, und: „Mutter!“ – und wusste vor Entzücken gar nicht, was sie noch an Dankesworten hinzufügen sollte. Stracks zog sie all die Herrlichkeiten an und hüpfte durch die Wohnung.

Sie kam in die Küche, wo sie aus der Spülmaschine eine schartige Stimme zu hören meinte: „Hübsches Kind, komm näher!“ Wie Sie aber voll Neugier nachsah, schnellte ihr etwas entgegen, sie wurde in die Spülmaschine hinein gezogen und ehe sie sich versehen hatte schlug die Klappe hinter ihr zu.

„He“, rief sie, „ich bin doch kein Teller!“

„Na und“, antwortete die schartige Stimme, „ich bin ja auch keine Gabel.“

„Und was bist Du dann?“, erkundigte sich Renate.

„Was schon“, knarrte die Stimme, „hast Du vielleicht Gemüse auf den Augen?“

Tatsächlich. Nun sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah Renate gleich neben dem Abfluss eine dicke warzige Kröte sitzen.

„Ich sehe schon“, sprach Renate, „Du bist eine häßliche Unke.“

„Eben.“, bestätigte die Kröte. „Exakt erkannt. Du bist wohl zu deiner Schönheit auch noch ein kluges Mädchen?“

„Und ein gutes!“, setzte Renate stolz hinzu.

„Sei es damit wie es sei“, erwiderte die Kröte unwillig, „ich jedenfalls bin weder hübsch, noch gut. Aber“, fuhr sie nachdrücklich fort, „zumindest das Erstere muss ich dringend ändern!“

„Das Erstere?“

„Wie ich aussehe. Es muss hinreissend sein. Ich habe nämlich vor, den Kröterich vom Waknitz-Pfuhl zu freien.“

„Wen willst Du befreien?“, erkundigte sich Renate.

„Kluge Renate“, leise Ungeduld schwang in der Krötenstimme, „ich sagte: freien. Das heisst fragen, ob er mich heiraten will. Ich habe mit dieser Frage extra bis zu Deinem Geburtstag gewartet.“

Man kann sich denken, dass Renate erstaunte. „Was hat mein Geburtstag mit Deiner Ehe zu tun?“

„Dies“, versetzte die Kröte, „dass ich Deine Gefangennahme hier in dieser Geschirrspülmaschine schon lange geplant habe, um Dich zur Herausgabe Deines neuen Kleides zu zwingen.“

„Gefangen!“, brüllte Renate und warf sich heftig gegen die Klappe. Die aber blieb verschlossen.

„Gib Dir keine Mühe, sondern gib mir das Kleid!“, befahl die Kröte.

„Niemals!“, rief Renate, und ihr war, weil sie das neue Kleid schon wieder weggeben sollte, fast zum Weinen zumute. Sie hatte es doch noch nicht einmal den anderen Kindern zeigen können.

„Sei nicht eitel!“, schimpfte die Kröte, „ich werde Dir“, fügte sie freundlicher hinzu, „meine schöne Krötenhaut zum Tausch dafür geben.“

Renate, die, wie wir wissen, im Grunde ein Mädchen von Huld und Würde, und ausserdem kein Teller war, sah ein, dass sie, wenn sie nicht nachgab, womöglich so lange hier gefangen sein würde, bis ihre Eltern die Geschirrspülmaschine einschalteten. Und sie wollte so wenig in einer eingeschalteten Spülmaschine sitzen, wie wir.

Renate und die Kröte tauschten ihre Kleider.

Die Kröte, fand Renate, sah in dem Prinzessinnenkleid auch nicht viel ansehnlicher aus, aber  was wusste Sie denn von der Haute Couture der Unken und Lurche?

Als die Kröte ungeschickt den Abfluss hinab sprang, sah sie aus, als fühlte sie sich nicht besonders selbstsicher in ihrem neuen Kleid. Vielleicht aber war es nur ihre Bangigkeit, vor den Kröterich hinzutreten, um ihn zu freien. Und schliesslich war Renate in der eingetauschten Krötenhaut auch nicht ganz wohl.

Bald kehrte die Kröte zurück. Ihr trübes Gesicht blickte noch viel trüber als zuvor. Anklagend knarrte Sie: „Er will mich nicht.“

„Nicht?“, tat Renate verwundert.

„Ich dachte mir schon, dass ich ihm zu hässlich bin.“, jammerte die Kröte und blickte voller Groll auf Renate. „Gibst Du mir noch die Strumpfhose? Und die roten Schuhe? – Sollst meine Schwimmhäute dafür nehmen.“ Und eher bittend als fordernd blickten ihre Krötenaugen drein.

„Du dauerst mich“, sprach Renate da. Sie vergass mit einem Mal, wie wichtig ihr Schuhe und Strumpfhose noch bis heute morgen gewesen waren. „Und hier“, fügte sie im Rausch ihres eigenen Grossmutes hinzu, „nimm auch noch meine Krone.“

„Meinst Du wirklich?“, fragte die Kröte unsicher, als sie den ganzen Tand angelegt hatte und sich über einer Spülwasserlache drehte und wendete. „Es sieht so… grell!… aus.“

„Ach was“, versicherte Renate mit Schwimmhäuten zwischen Zehen und Fingern, „genau das trägt die Kröte von heute.“ Aber ganz edel wollte sie sich nicht vorkommen, als sie der über und über behangenen Kröte das Prinzessinnen-Zubehör rekommendierte.

Wieder sprang die Kröte durch den Abfluss fort.

Wieder war sie nach kurzer Frist zurück gekehrt.

Renate musste nicht erst hinsehen, um zu wissen, dass sie abgewiesen worden war.

– Die klugen Kinder unter Euch wissen natürlich, dass nicht alle Tiere gleich anmutig ihren Stimmungen Ausdruck verleihen können. Das Stinktier besipielsweise, wenn es vor Angst, nunja, stinkt: Kein schöner Geruch. Die Seegurke, wenn Sie vor Wut platzt: Kein schöner Anblick. Die Kröte aber, wenn Sie vor Trauer heult, Kinder, glaubt mir, jedes rostige Nebelhorn klingt im Vergleich wie lieblicher Feengesang.

„Buuhuuup“, röhrte die zurückgekehrte Kröte. Sie war wehe. Im Nu hatte sie Renates Kleid platschnass geheult. „Ich gefalle ihm immer noch nicht!“

Renate strich der Kröte übers beulige Haupt. Sie war ratlos. Die Kröte tat ihr entsetzlich leid.

Plötzlich mischte sich ein verlegenes Räuspern in das Schluchzen der Kröte.

„Ahem! Bitte entschuldigen Sie mein forsches Eindringen“, sprach der Kröterich vom Waknitz-Pfuhl, denn niemand anders war es, der eben durch den Abfluss in die Spülmaschine kletterte, „aber ich konnte es nicht damit bewenden lassen.“ Für einen Kröterich hatte er eine erstaunlich wohlmodulierte Stimme.

Die Kröte hörte auf zu weinen und glotzte den Kröterich an.

„Nun ja“, sprach der Kröterich verlegen zur Kröte, „im Grunde nämlich mag ich Dich. Ziemlich sehr sogar. Du… bist nocheinmal zu mir gekommen, obwohl ich Dich abgewiesen habe. … Und diese Augen, diese Augen…“, und es war als geriete er ins Schwärmen.

Renate besah sich die Krötenaugen nocheinmal näher. Gelb, glubschend, rechte Sehwarzen, wollte ihr scheinen. Und tränennass.

„Aber!“, fortfuhr der Kröterich, „diese Takelage! So etwas Aufgedonnertes habe ich mein Lebtag nicht gesehen. Wärst Du doch nur so schlicht, so liebreizend wie Deine Augen! So natürlich und gewinnend, wie… diese da!“, rief der Kröterich und wies plötzlich auf Renate.

Geschmeichelt sah Renate an sich herab. Grüne Grieben und braune Beulen bedeckten sie. Eigentlich gar nicht so schlecht. Selbst die Schwimmhäute zwischen den Zehen kamen ihr nach diesem Kompliment formschön vor.

„Allerdings,“, fuhr der Kröterich an Renate gewandt fort, „gefallen mir an Dir die Augen wieder gar nicht! So wenig hervorquellend und… mit Haaren!“

Renate geriet in Ärger.

„Und Dein Blick“, stellte der Kröterich nun auch noch fest, „Dein Blick ist gar nicht freimütig. Fast muss man ihn verschlagen nennen.“

Flammender Zorn erfasste Renate. „Aber das sind ja gar nicht meine Augen!“, log sie plötzlich. „Diese da hat mir meine Augen gestolen!“, setzte sie hinzu und stiess ihren Schwimmhautfinger gegen die Kröte.

„Sie lügt!“, rief die Kröte in ihrem ersten Schrecken.

Dann besann sie sich. „Gut.“, knarzte sie zu Renate. „Gut. Tauschen wir auch noch die Augen.“

Renate erschrak. Wollte Sie von nun an vollständig eine Kröte sein? – Plötzlich schämte sie sich gewaltig.

„Verzeih!“, sprach sie kleinlaut zur Kröte. „Ich habe gelogen. Ich wollte jemand anders sein. Das war falsch.“

Die Kröte schwieg ihrerseits betreten. „Ich Dir?“, gab sie schliesslich noch viel kleinlauter zurück. „Nein, Du musst mir verzeihen! Nicht Du, sondern ich wollte jemand anders sein. Und ich habe Dich deshalb sogar entführt.“

Dann tauschten sie ihre Kleider zurück.

Man kann sich denken, dass der Kröterich erstaunte. „Ich glaube, ich verstehe überhaupt nichts“, bemerkte er und errötete sehr, als er die beiden Mädchen für einene Moment splitterfasernackt sah.

Als sie wieder als sie selbst voreinander standen, blickten sich Renate und die Kröte eine Weile schweigend in ihre Augen. Schliesslich sprach Renate: „Weisst Du, Du bist eine Kröte von Huld und Würde!“

Dann verabschiedeten sich die drei herzlich voneinander und verliessen die Spülmaschine. Die Kröte hatte zuvor die Klappe für Renate wieder geöffnet.

Als ihre Eltern Renate in ihrem Zimmer fanden, spielte sie mit ihrer halbvertrockneten Knete. Sie hatte zwei grüne Unken geformt, die Hochzeit hielten. Statt Ihres Prinzessinnen-Kleides hatte sie sich ihre Bastelschürze umgetan.

„Und was ist mit dem Geburtstagskleid?“, fragten die Eltern.

„Ach das.“, sprach Renate beiläufig. „Das ist was für eitle Kröten.“

Man kann sich denken, dass Renates Eltern erstaunten.

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7 Gedanken zu “Wie Renate beinahe eine Kröte wurde

  1. Sie müssen weiter erzählen, liebe Ina, bitte!
    Und hatte ich schon gesagt, wie wunderschön die Zeichnung ist, die man Ihnen dazu geschenkt hat ?

    Bitte weitermachen also mit den Märchenbildern.

    Herzliche Grüsse

    Ihre Cara

  2. nachdenklichekrankenschwester schreibt:

    Ach Cara,

    liebreizende Ermunterin! Es gibt keinen Grund zur Sorge, nichtmal zu einer langsamen. Gewiss, ich habe das schöne Konfabulatorium hier etwas vernachlässigt. Vielerlei wollte getan sein, da blieb für Luxustätigkeit wenig Zeit. Sicher wird es hier demnächst wieder aufregender zugehen.

    Sie wissen ja, meist kommt’s brockenweise.

    //

    PS@Cara: Ich sehe grad, und mit Betrüben, das Grundwortamt ist bis auf Weiteres geschlossen. Ich hoffe, es handelt sich nur um eine Siesta.

  3. Das ist, liebe Ina, eine reizende Geschichte.

    Der Einfall erinnert mich an die altchinesische Fabel vom großen Stinker (Zhuchou), den ein jeder in seiner Heimat mied, weil er so außerordentlich üblen Gestanks war; und dann kam er in eine andere Region, die am Meer lag, wo alle seinen Geruch als angenehm empfanden.

    Wat den een sin Uhl, is den annern sin Nachtigal. – Derselbe Einfall, aber Ihre Geschichte finde ich hübscher.

  4. nachdenklichekrankenschwester schreibt:

    Wenig kann mich so beschämen, freimüthiger Herr Bartels, wie ihr Lob.

    Die Geschichte vom großen Stinker ist wahrscheinlich viel besser als meine (schon der Titel verrät einen überlegenen Humor), aber ich danke Ihnen dennoch für die fast glaubwürdige Schmeichelei.

    Lustig hinwieder, dass Sie eine ganz andere Fabel daraus ziehen, als von mir beabsichtigt. Wäre ich Hacks, würde ich mir das als Makel anrechnen. Da ich aber eine moderne Frau von Welt bin, neige ich zu der Einbildung, dass Geschichten, die sich in mehrerlei verschiedenen Ausdeutungen konkretisieren können, eine grössere Chance auf Gültigkeit haben, als jene, die nur eine einzige Lesart zulassen.

    Wenn ich es recht verstehe, denken Sie, der Einfall besteht im Aufzeig der Relativität alles Schönen: Die Unke findet Warzen schön, der Mensch eher nicht. Der Mensch mag lange Wimpern, die Unke eher nicht. – Nach der Schönheit soll in ihrem Zusammenhang gefragt werden, wie nach jedem anderen Sinn.
    Habe ich diese Analogie mit dem „großen Stinker“ richtig kapiert?

    Tatsächlich habe ich die Geschichte mit einem ganz anderen Hintergedanken verfasst. Sie war nämlich als Belehrung meiner ältesten Tochter gedacht, die an nichts anderes denkt, als Prinzessinnenkleider und Tand. Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht heisse Tränen fliessen, weil sie ein Kleid oder eine Schürze nicht tragen darf. Wenn sie selbst sich eine Geschichte ausdenkt, gerät deren Hergang unweigerlich wegen eines Kleides ins Stocken. Das Ding versandet in stundenlangen Beschreibungen von bunten Bändern, funkelnden Pailletten und Derlei.

    Also habe ich ihr eine Fabel ausgesonnen, die ziemlich unverblümt sagt, dass sowas oll ist. Mein Töchterchen hat nicht unbedingt einen Sinn fürs Subtile, also trötet die Geschichte ihre Nutzanwendung auch nicht eben geschmeidig aus. Überhaupt habe ich bemerkt, dass es besser ist, wenn man in Geschichten für Kinder an Deutlichkeit nicht spart. Den Erwachsenen mag das autoritär oder grob erscheinen, aber Kinder lieben die Deutlichkeit. Das leuchtet ihnen ein, das behalten sie. Ausgewogenheit, Andeutungen, Unterschwelliges: Das geht verschütt. Kinder haben einen gewissen Sinn für Sprache und ansonsten soll es heiter und klar zugehen.

    Das nebenher.

  5. Die Stinker-Story ist uralt und auch ganz kurz. Außerdem ist sie in Chinesisch verfaßt, als welches bekanntlich eine armselige Sprache ist. Daher wäre Ihre Geschichte, meine liebe Ina, selbst dann schon besser, wenn Sie kein Deutsch könnten. Aber Sie können ja Deutsch und schreiben dies auf eine so manierierte und aber doch reizende Weise, daß das vermutlich der Grund meines Entzücktseins ist.

    Im übrigen hat Ihre Geschichte etwas Märchenhaftes und geht damit also auch in poetischer Hinsicht weit über Kurzfabeln mit Nutzanwendungen (seien die nun in Chinesisch verfaßt oder in Deutsch) hinaus.

    Ich hätte natürlich auch Herodot heranziehen können, dessen zweites Buch von Ägypten handelt und auf der These beruht: in Ägypten ist alles anders. So behauptet Herodot etwa, daß in Ägypten die Frauen im Stehen ihre Wasser abschlagen, während die Männer brav sitzen usw. Das ganze paßt eben in Herodots ethnologisches Konzept, demzufolge keine Sitten und Bräuche schlechter sind als die anderen, und ein jedes Volk seine eigenen hat, die gewachsen sind und nicht verurteilt werden dürfen.

    Das Problem des unterschiedlichen Gehalts sehe ich übrigens gar nicht. Es ist doch so: jede Fabel ist unvermeidlich ein Bündel von Ideen, genauer gar: ein Geflecht von solchen. Das muß sie sein, denn um mit nur einem Gedanken auszukommen, ist eine Fabel, die über das Niveau der Lessing und La Fontaine hinausgeht, viel zu geräumig. Eine Fabel im Sinne des Dramas, der Novelle, des Märchens, des Romans usf. kann überhaupt nicht stattfinden, ohne daß da nicht verschiedene Ideen aufeinander angesetzt werden; so erst entsteht Kollision.

    Da ist es doch ganz folgerichtig, daß man bei verschiedenen Deutungen verschiedene Momente der Fabel oder des Gehalts betonen kann. Was man nicht kann, das ist, aus einer Geschichte etwas rausholen, das nicht zumindest der Möglichkeit nach in ihr steckt. Ich sage das nur, um gleich einmal mehr (zur Ihrer Freude) gegen Eco oder Lem zu polemisieren, die ja getreue Anhänger der Rezepetionsästhetik sind. Es gibt, meine ich, im Fall jedes komplexeren Werkgebildes immer eine Vielzahl an Bezügen, die man zu Deutungen ausformen kann, aber es gibt auch eine Gesamtmenge an Deutungen, die sich unterscheidet von all jenem Unfug, den man sonst auch noch über ein Kunstwerk denken und verbreiten kann.

    Ich entsinne mich übrigens einer Diskussion, in der unser Freund Gottfried Fischborn als Vertreter der Rezeptionsästhetik aufgetreten ist, und Thiele hat eine radikale Werkästhetik vertreten, die auf der Annahme der einfachen Identität des Werks mit sich selbst basiert. Sie haben damals zu Recht versucht, das Kunstwerk als Prozeß aufzufassen, m.E. aber aus dieser richtigen Werkthorie zu gerade Ableitungen für eine Interpretationstheorie gezogen. Ich habe damals daraufhin einen Aufsatz geschrieben, dessen Thema der Zusammenhang zwischen Werkbegriff und Deutungsmethode sein sollte. Der war schon ziemlich weit gediehen, als ich mal wieder andere Dinge dringender tun mußte und so meinen Aufsatz hab unvollendet lassen müssen.

  6. Gottfried Fischborn schreibt:

    Auch wenn sie mit der Eitelkeit zugleich die Schönheit preisgibt oder doch das kindliche Bedürfnis danach – das ja mit dem Hinweis, es gäbe neben der menschlichen auch eine krötische Schönheit, überfordert ist! – . das ist dennoch ein schöne didaktische Erzählung. „Eigentlich gefiel Renate durch Huld und Würde.“ Die Geschichte auch.

    Übrigens ahnt der Bartels gar nicht, in welchem Maße er selber der Rezeptionästhetik würdevoll huldigt.

    Immer Ihr

    Gottfried Fischborn

    (Wer sind Sie eigentlich? Plump gefragt, ich weiß! Wenn Sie’s nicht sagen wollen – dann schweigen Sie halt.)

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