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Lobster Award, Antworten.

Alle Antworten an einem gemeinsamen Ort, damit sie nicht im Zuckerbergschen Orkus verloren gehen.

DIREKT ZU:

Tini Anlauff
Felix Bartels
Maike Bellmann
Ingo Gröpler-Röser
Stephan Roth
André Thiele
Lyzis
Anne von Fircks
Martin Winter

Tini Anlauff:

1: Kurzbegründungen: Kaffee oder Tee? Meer oder Berge? Dostojewskij oder Tolstoi? Beatles oder Stones? Welches ist Dein liebster Beatle?

Kaffee, weil man den schmeckt, Berge, weil man mich da nicht sieht, Dostojewski, der hinterlässt weniger Schlieren

2: Kränkt es Dich, dass die DDR zugrunde gegangen ist? Woran, denkst Du, verschied sie?
Ja, seitdem bin ich für den Rest meines Lebens ein EX- DDR’ler. Wär aber lieber ein moderner DDR’ler geworden. An der DDR.

3: Wie hältst Du es mit Gott?
Wenn ich jetzt sage, dass es ihn nicht gibt, komme ich bestimmt in die Hölle.

4: Was willst Du unbedingt erreichen? Glaubst Du, dass ein Mensch Ziele haben muss? Warum?
Das sind 3 Fragen!!! 1. Den Glauser Preis, 2. Undbedingt, aber erreichbare, sonst Enttäuschung, Depression, Kulturpessimismus, ekelhafter Zynismus. (Das trifft nicht auf mich zu). 3. Um einen Grund haben, morgens aufzustehen. Ein gut gebrühter Kaffee ist auch ein Ziel, solange das Wasser noch nicht kocht.

5: Würdest Du gern etwas besitzen, das Du nicht haben kannst? Was?
Nö, ich würde lieber auf ein paar Dinge verzichten, die ich nicht loskriege. Flugangst zum Beispiel.

6: Nenne die fünf wichtigsten Maximen und Ziele, die Dich bei der Erziehung Deiner Kinder anleiten (falls hypothetisch: anleiten würden).
Glaubt nichts blind, hinterfragt alles. (außer die Lieber eurer Eltern!) Was man sich anschafft, muss man dann auch regelmäßig abstauben, also Vorsicht. Egal, was passiert, ihr seid nie handlungsunfähig. Habt Freunde! (und staubt sie regelmäßig ab) Atmet andern nicht einfach nur die Luft weg, macht was.

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Unrechtsstaat, der.

Was ist das eigentlich für ein Drang, die DDR verurteilen zu wollen? Im Grunde ist es sehr einfach. Es ist der Drang, sich nicht eingestehen zu müssen, dass die DDR eine direkte Folge des zweiten Weltkrieges war. Die Weigerung, in ihr die monströse Ausführung von Kants „selbstverschuldeter Unmündigkeit“ zu erblicken. Alle Verurteilung dieser Sache ist nichts als Sehnsucht, sie als etwas Fremdes abstossen zu können. Etwas, das der „Russe“, der „Kommunist“ oder irgendein nostalgieverstrahlter „DDR-Bürger“ verbrochen habe; keinesfalls aber der aufgeklärte, demokratische, liberale Deutsche.

Allein der Ausdruck von den „beiden deutschen Diktaturen“ ist eine Freudsche Meisterleistung. Wie man weiss, sind die Nazis auf demokratischem Wege zur Macht gekommen, während die DDR – wer Hitler wählt, wählt den Krieg! – in der Folge dieses Krieges von Moskaus Gnaden existierte; also, wenn überhaupt, eine sowjetische Diktatur war. Aber zum Zwecke der Abstossung, der Leugnung, dass es die eigene, freie Wahl war; zu diesem Zweck muss das beides gleichförmig in eine fremde Schuld verwandelt werden, wogegen sodann eine Bewegung der Distanzierung und Reinwaschung einsetzen kann.

Das tief-in-sich-Tragen der DDR begründet natürlich auch die Vehemenz der Diskussion, die Einseitigkeit der Wahrnehmung und das Mühen, alles auf einen rationalen Nenner zu bringen (keine freien Wahlen, Mauertote etc.). Im Grunde ist es ein altes Lied. Die Durchführung von Politik als ein Handwerk des Schuldigenmachens ist nichts als die kindische Weigerung, sich selbst als einen historischen Menschen zu erkennen.

Man kann nun, in einem weiteren Schritt der Selbstbestimmung, behaupten, es läge in dieser Verurteilung eben ein Lernen aus der Geschichte; in ihr läge tatsächlich der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Ich wollte das gern glauben. Woran nur mag es liegen, daß mir derlei immer als Beteuerung des Alkoholikers klingt, er wäre clean?

Niemand, der humanistisch fühlt und bei Troste ist, mag Zustände, in denen es politische Häftlinge gibt, oder in denen Menschen beim Übertreten von Grenzanlagen erschossen werden. Da bin ich ganz d’accord. Es ist nur eben die Verurteilung solcher Zustände, wenn sie erst vergangen sind, billig und leicht zu haben. Ich glaube den Verurteilern ihre Lernfähigkeit erst, wenn sie in der Gegenwart und künftig zu verhindern suchen, daß solcherlei sich wiederholt. Das ist der einzig gültige Gradmesser ihrer Redlichkeit und behaupteten Mündigkeit. Was tun sie, um zu verhindern, dass Menschen hungern, obdachlos sind, geknechtet werden, oder in Kriegen für fremde Interessen sterben oder in Gefängnissen gefoltert werden? Vor Inangriffnahme dieser Aufgaben ist alle Verurteilung der DDR nur moralischer Tand.

Nichts versperrt dem Menschen mehr seinen Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, als sein Drang, zu urteilen. Natürlich sind Urteile denknotwendig. Sie stiften Ordnung. Der Wunsch ist nun so nachfühlbar wie fatal, diese Ordnung als letzten Zweck allen Urteilens anzusehen. Das Urteil steht in dieser Sicht am Ende eines Denkprozesses; die Welt erhält ein Gefüge.

So verhält es sich in simplen Geistern; so verhält es sich bei den Meisten. In Wirklichkeit aber fordert jedes Urteil zu neuem Denken heraus. Ein Urteil ist ein Anfang eher, als es ein Schluss ist.

Das ist das einfache Geheimnis der Aufklärung und nebenbei auch der Grund, aus dem Adorno und Horkheimer in LA groben Käse rieben. Die Aufklärung wird nicht wegen des in ihr verschleierten Herrschaftsanspruchs zu ihrer eigenen Negation. Herrschaftsansprüche sind okay und Macht ist unentrinnbarer Bestandteil allen Handelns. Aufklärung wird zu ihrer Negation, wenn sie glaubt, durch ihren Vollzug an ein Ende kommen zu können. Wenn sie auf eine Welt festgefügter, ewiger Urteile hinaus will. Wie eben dieses, dass der Jude an allem Schuld sei, oder daß eine freiheitlich demokratische Grundordnung universellen Schutz vor Barbarei und Unmenschlichkeit böte.

Das Urteil ist das Wohlbehagen des Spießers. Am Ende wird er genau deswegen immer in der Diktatur landen; der Diktatur nämlich seiner eigenen Urteile. Aus Urteilssucht wird Zwang. Was könnte unmündiger sein? – Unrechtsstaaten, das sind Staaten, in denen die vorherrschende Auffassung von Politik auf das Fällen von Urteilen und Benennen von Schuldigen abzielt.

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Frageliste für den Lobster Award und Nominierung

Die Fragen

1: Kurzbegründungen: Kaffee oder Tee? Meer oder Berge? Dostojewskij oder Tolstoi? Beatles oder Stones? Welches ist Dein liebster Beatle?

2: Kränkt es Dich, dass die DDR zugrunde gegangen ist? Woran, denkst Du, verschied sie?

3: Wie hältst Du es mit Gott?

4: Was willst Du unbedingt erreichen? Glaubst Du, dass ein Mensch Ziele haben muss? Warum?

5: Würdest Du gern etwas besitzen, das Du nicht haben kannst? Was?

6: Nenne die fünf wichtigsten Maximen und Ziele, die Dich bei der Erziehung Deiner Kinder anleiten (falls hypothetisch: anleiten würden).

7: Lästere ein paar Zeilen über eine Person, die es Deiner Meinung nach wirklich verdient hat! Lasses raus!

8: Welche deutschen Einrichtungen/Verhältnisse/Gepflogenheiten machen Dich wahnsinnig?

9: Dein liebstes Detail an einem schönen Menschen?

10: Hältst Du das Fernsehprogramm für den reinsten Ausdruck einer Herrschaft des Volkes? Kurzbegründung.

11: Welches sind die 3 meistüberschätzten, welchen die 3 sträflichst unterschätzten Köpfe ever? Kurzbegründung!
Nominiert sind:

Felix Bartels, mein Hirnteiler. Worüber ich leichtsinnig hinweg gehe, dahin zerrt er mich zurück um meine Nase tief ins Übersehene zu drücken. Seine größte Leistung besteht in der Entdeckung einer neuen logischen Figur, der doppelten Bejahung. Keiner, der Hirnmitbewohner beherbergt, sollte je noch ohne sie zu denken wagen.

Ruth Herzberg, augenverlorene, wiedergefundene Freundin aus adoleszierenden Tagen. Ich weiss, Namenswitze sind die schlechtesten, aber der Spruch „Ende Ruth, alles Ruth.“ ist kein Witz, sondern eine Wahrheit. Ruth kann über alles schreiben, kritzeln und lachen. Niemand ist furchtloser und anarchischer.

Carsten Hucho, Smart@ss und einziger Naturwissenschaftler unter meinen Freunden. Die Idee, Wissenschaftler würden von Beruf stark nachdenken, ist ja ein Volksmärchen. Wissenschaftler können in der Regel weder denken, noch schreiben. Ausser Carsten. Er kann das alles und noch mehr. Zum Beispiel Saxophon spielen. Carsten kann an einem Abend so viele kluge Dinge sagen, wie andere in ihrem Leben nicht.

Andre Thiele, virtueller Verleger meines virtuellen Erstlings. Thiele hasst die neuen Medien, insonderheit facebook, Blogs und eBooks. Er ist so altmodisch wie ein Gehrock oder ein gutes Buch. Niemand verlegt deswegen virtuelle Literatur besser als er. Seine Welt ist bewohnt von genialen Schriftstellern. Fast wäre er selber einer geworden. Thiele kann schreiben. Thiele kann urteilen. Thieles Slogans sind die Zweitbesten.

Lyzis, Möchtegernanarchist aus Krähenwinkels Schreckenstagen. Unbeirrbarer Stalinist und eifriger Trotzkistentöter. Deckname Nulla. Von ihm ist am wenigsten zu erwarten, dass er antwortet, aber wenn ers tut, gibt es ein ansehnliches Massaker. Da wollen wir alle gern zusehen, wie das Kunstblut spritzt. Kunstblut, fällt mir auf, ist eine gar nicht schlechte Vokabel für ästhetische Charaktere. Oder ein Bandname.

Ausserdem sind, da ohne eigenen Blog, sozusagen freestyle (via facebook) nominiert:

Martin Winter

Martin Knepper

Maike Bellmann

Tini Anlauff

Christoph Täubert

Anne v. Fircks

Stephan „Stapen“ Lüderitz

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Lobster Award

Felix Bartels, meine andere Hirnhälfte, nominierte mich soeben für den im Titel genannten Award.  So sehr hat er mich gelobt – man könnte auch „gelobstert“ sagen – daß ich die moralische Pflicht nicht mehr abschütteln konnte, seine Nominierung anzunehmen. Und willfahre ihr untenstehend durch Beantwortung elfer Fragen:

1. Was sind die Zutaten eines schönen Abends?

Man nehme: Eine zugeneigte Person im Zustand neugieriger Offenheit. Sodann: Eine unbekannte, aber reizvolle Kulisse. Vor diese führe man jene. Das ist die Grundsubstanz. Alles scheint in heiteren, beschwingten Bahnen zu verlaufen. Doch dann kommt die eigentliche Würze: Ein unvorhergesehenes, skurriles Begebnis. Eines, mit dem niemand rechnet. Eine dadaistische Intervention. Anfolgt auf diesen Blitz aus heiterem Himmel ein bisschen Erleichterung, ein bisschen Kartharsis, ein bisschen Fremdheit, kurz, eine Ahnung von der eigentlichen Intensität des Lebens. Zum Nachtisch, je nach Laune und Person, Geschlechtsverkehr.

2. Das schönste Stück Lyrik, das du je gesehen, bitte: (nicht zitieren, nur Autor, Titel)

Gesehene Lyrik? In dem Fall wahrscheinlich Morgenstern, Die Trichter.

3. Sind ästhetische Werturteile objektivierbar?

Nein. Es gibt aber die Möglichkeit den ästhetischen Genuß durch Wissen und Erfahrung zu steigern und dadurch zu Urteilen höherer Gültigkeit zu gelangen. Gültigkeit im Sinne überprüfbarer Wirklichkeit ist nicht erreichbar. Nachvollziehbarkeit eines Urteils und unendliche Überfeinerung desselben hingegen manchen. Die Kritiker sind die besten, deren Kritik selbst von Kunst; die Werturteile die gültigsten, deren Fällen selbst selbst von hoher Kunstfertigkeit zeugt.

4. Kann man sich je freimachen von Ideologie?

Nein. Es ist auch nicht nötig. Erkenntnis und Fortschritt ereignen sich stets im falschen Bewusstsein; als dessen Berichtigung nämlich. Ein ideologieloses Denken kann es genauso wenig geben, wie die absolute Wahrheit. Hier ist kein Platz, das zu begründen; aber im Grunde reicht der Hinweis, dass es keine Methode gibt, sich von der Ideologielosigkeit des eigenen Denkens zu überzeugen, als eben durch: Denken. Mehr als das kann uns die Erkenntnis, dass unser Denken stets mit Ideologie kontaminiert ist, nicht vermitteln, als diese Aufforderung, noch schärfer hin zu denken. Der Gedanke fügt der Aufklärung in Wirklichkeit kein Jota hinzu. Im Gegenteil. In der Regel bleiben die Ideologiekritiker hinter den Aufklärern in der Erkenntnishöhe zurück. Klaftertief zurück.

5. Hast du ein Lebensthema? Wenn ja, welches?

Nein. Es gibt eine Anzahl Themen, die mich immer wieder zur Beschäftigung anhalten; die drei wichtigsten sind sicher die Liebe, die Wissenschaft und die Politik. Sie stellen sich stets aufs Neue in ganz unterschiedlichen Fragen dar. An diesen Themen kommt vielleicht schattenhaft ein Lebensthema zum Ausdruck, nämlich ein unstillbarer, fröhlicher Erkenntnisdrang. Neugier, im wortwörtlichen Sinne; begriffen, wie in der eingänglichen Frage nach dem schönen Abend, als Lebensintensität. In der Wissenschaft ist der Ekenntnisdrang ganz offensichtlich; die Liebe aber ist ganz ähnlich, der Drang nämlich einen Menschen zu erkennen; und in Fragen der Politik geht es oft darum, das Erkannte anzuwenden.

6. Blitzantwort: Kant oder Hegel? Mozart oder Stockhausen? Kochen oder Essen?

Hegel, Mozart, Kochen.

7. Ein Blick in Brechts Lehrstücke: Angenommen einer könnte, indem er sich opfert, das Überleben einer Gemeinschaft retten – sollte er es tun? (Mr. Spock sagt: ja)

Mir doch egal.

8. Abgesehen von Günter Grass: Welcher Dichter der Gegenwart (20./21. Jh.) ist am abstoßendsten?

Zu den großen Widerlichen der Gegenwart gehören: Uwe Tellkamp, Elfriede Jelinek und die Potthässliche mit den Halbwesen. Ich bin zuversichtlich, dass die Liste noch anwachsen wird.

9. Die drei besten Kinofilme aller Zeiten sind:

Charlie Chaplin – Modern Times
Emir Kusturica – Underground
Ridley Scott – Alien

10. Gehört der Tod abgeschafft?

Ich bin ein erklärter Todfeind. Er ist mir unheimlich und grässlich. Ich müsste allerdings die Konsequenzen ewigen Lebens ersteinmal gründlich durchdenken. Wenn ich mir dafür ein bisschen Zeit ausbedingen dürfte? Sagen wir 800-900 Jahre? Das sollte vorerst reichen.

11. Worauf kömmt es an: die Welt zu interpretieren oder sie zu verändern?

Ich bin Philosoph. Der Philosophen Absicht ist stets, die Welt, indem sie sie interpretieren, zu verändern.

—–

Soweit die Antworten. Der zweite Teil des Lobster-Awards (11 Fragen + Nominierungen) folgt in Kürze.

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Frieden-Krieg-Führer (auf einem Blatt)

Reden wir vom Krieg. Er ist der näxte Halt der Achterbahn „Geschichte“. Zum Krieg rät sich ein Führer an. Ich habe einen für Sie verfasst.

Klappentext unseres Führers: Krieg ist das selbe wie Frieden, nur dass es andere Leute sind, die an der Sache verdienen. Mehr muss sich keiner merken, um sich in Krieg und Frieden leidlich zurecht zu finden.

Es gibt also immer diese und jene, Kriegsgewinnler und Friedensgewinnler. Der Rest ist eine Frage der Kräftebalance zwischen beiden.

Sie fragen ernsthaft, wie am Krieg gewonnen werden könne? Das ist einfach. Gewinnen kann man

– durch einfachen Raub. Land, Bodenschätze, Fabriken, Immobilien, Know-How, Arbeiter: All das läßt sich in Kriegen rauben.
– Ehrfurcht, Neid und Angst anderer Länder, bzw. potentieller Kriegsparteien.
– innenpolitische Gleichschaltung. Nichts und niemand entindividualisiert wie das Militär. Im Krieg wird Meinungsvielfalt zu Vaterlandsverrat. Staatsbürger üben Selbstzensur bis sie vor Verblödung ganz viehisch werden. Selbst das Wetter wird kriegsbedeutsam.
– durch Waffenverkauf, idealerweise an alle Kriegsparteien gleichzeitig. Auch die kriegsunbeteiligten Parteien kaufen. Sicherheitshalber.
– Bei Sieg: Die Statur und Gloriole einer historischen Gestalt. Schaffung nationaler Mythen. Innenpolitische Gleichschaltung auf weitere 20 Jahre.
– Und so weiter.

Die Frage also erübrigt sich. Der Krieg kann den Krieg sehr gut ernähren. Die Frage, mit anderen Worten, kehrt sich um. Wie kann am Frieden überhaupt verdient werden? Nun, man kann

– Arbeiten.
– mit Gütern handeln. Vorzugsweise mit Gütern, die keine Waffen sind und auch nicht zu Waffen verarbeitet werden sollen.

Das ist alles. Man sieht die Crux. Am Frieden verdient sich schwerer. Was in Kriegszeiten einfach geraubt werden kann, muss in Friedenszeiten mühsam gehandelt werden: Land, Bodenschätze, Immobilien, Know-How und Arbeiter. Jeder konkurriert mit jedem. Widerstreitende Ansprüche werden anstatt durch Bomben und Granaten durch Gerichte gelöst. Nichts ist leicht.

Damit der Frieden den Frieden ernährt, müssen viele an ihm verdienen, indem sie in ihm arbeiten und handeln. Handel ist die Fessel des Krieges. Sind die Händler mächtig, herrscht Friede. Straucheln sie, wird der Krieg entfesselt. Was uns vom Krieg allein nur abhält, ist der Krieg zwischen Friedens- und Kriegsgewinnlern.

Zu jeder Zeit gibt es Überläufer. Der Frontverlauf ist unübersichtlich. Ein Banker wettet am Morgen auf den Händler und am Abend auf den General. Er ist der Erzopportunist, der, wen immer die Waage gerade begünstigt, zur lohnenden Investition erklärt.

Es wird nun der Händler seine eigene Krise produzieren. So verhält es sich im Kapitalismus. Des Händlers Profitraten fallen, seine Märkte sättigen sich. Kann er dem Banker glaubhaft machen, die Krise zu bemeistern, investiert der. Solange investiert wird, kann der Händler seine Krise verschleppen. Frieden ist Krisenverschleppung.

Niemand setzt den Frieden aufs Spiel, solange der die Hoffnung weckt, er würfe auch künftig Gewinne ab. Der Vorteil des Friedens liegt in seiner Berechenbarkeit. Natürlich nur, solange diese Berechnungen keine Krise anzeigen.

Wird die Krise ruchbar, schlägt die Stunde des Kriegstreibers. Der Banker wird misstrauisch. Dem Händler mangelt es zunehmend an Geld. Der Kriegstreiber weiss immer eine einfachere Art als der, Gewinn zu machen. Der Banker entsinnt sich zuerst noch, wie riskant sie ist. Der Kriegstreiber müht sich also, ihm das Risiko als beherrschbar aufzubinden. Er sagt: Urban warfare, lokale oder asymmetrische Kriegsführung, chirurgischer Eingriff. Er führt leistungsfähige Waffensysteme vor. Er verspricht alles.

Die Kräftebalance also, um die allein es geht, ist immer dann auf Seiten der Kriegstreiber, wenn die Gewinnaussicht aus den Geschäften der Händler kleiner ist, als die aus den Geschäften des Kriegstreibers. Weil aber der Händler seine Krise selbst herstellt, mündet es immer dort. Im Krieg.

Nun wissen Sie, wie Sie hinkommen.

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Nachdenklichkeiten, Welterklärungen

Boviste und Planeten. Der Streit um Gott.

Wer sich einmal unter Christenmenschen erkundigt hat, wer oder was Gott sei, wird vielleicht erstaunt über die Unterschiedlichkeit der Antworten gewesen sein.

„Die Liebe“, sagt der eine. „Das Prinzip des Guten“, meint der andere. „Ein allwaltender Geist der Barmherzigkeit“, ist wieder einer überzeugt. Und so weiter.

Sie kennen das wahrscheinlich. Nun, dann wissen Sie auch, daß die häufigste Antwort lautet: „Was Gott ist? Das kann man nicht sagen.“

Im Grunde ist damit schon viel von dem bewiesen, was ich im Folgenden ausführen möchte. Gott ist kein klares, einheitliches Ding oder Wesen oder Wirkprinzip; er liegt sozusagen, und lag wahrscheinlich immer schon seit er einzig ist, in chronisch dekonstruierter Form vor.

Die Vernünftigen unter den Theologen sind sich dieser Zersplittertheit Gottes natürlich bewußt; möglicherweise reden sie lieber von Vielgestalt als von Zersplitterung. Sebst innerhalb ihrer Zunft – gerade in der – wird wenig Einmütigkeit über Gott herrschen. Manche kehren diese Mißlage in ein Argument um und nehmen die Verschiedenheit der Gottesvorstellungen als Beleg, wie wenig das menschliche Denkvermögen Gott zu fassen vermag und wie überaus gewaltig Gott sein müsse, wenn selbst alle Menschenhirne zusammen genommen keine schlüssige Gestalt aus ihm gewinnen können.

Immerhin, soviel können wir den meisten Antworten entnehmen, daß es sich bei Gott um eine Art Limes handelt; Gott führt ein Prinzip oder ein Vermögen oder eine Art des Vorkommens an eine absolute Grenze. Meist ist es auch eine Grenze des Denkbaren. Zum Beispiel Gott sei der Anfang von allem, oder der Schöpfer von allem oder die absolute, reine Liebe. Vielleicht darf man daraus ableiten, daß Gott in jedem Fall die Denkbewegung, und sicher auch eine Fühlbewegung hin zu einem Absoluten ist und in der Regel auch dessen Verdinglichung.

Natürlich, Sie merken es schon, argumentiere ich wie ein Skeptiker. Man riecht den Atheisten. Es wird wohl daran liegen, dass ich einer bin. Ich würde von mir allerdings als von einem wohlwollenden Atheisten reden, d.i. von einem Atheisten, der an den Argumenten religiöser Menschen ein ehrliches Interesse hat; der ihnen gern lauscht und auch ihre Rolle in der Kulturgeschichte nicht bestreiten will.

Einer also, der nicht immerfort auf den vernunftsverderbenden und entmündigenden Tendenzen der Religion herumreiten mag. Wozu denn auch? Die unsinnigste Art des Streits besteht doch im wechselseitigen Vorwurfsmachen. Ausserdem verhält es sich, daß einige der klügsten und interessantesten Menschen, die kennenzulernen ich das Vergnügen hatte, nun einmal religiös sind.

Leider bin ich religionsgeschichtlich zu wenig unterrichtet, um sagen zu können, ob immer schon in der Menschheitsgeschichte auch bekennende Atheisten vorhanden waren, glaube aber, es waren. Man weiß von ihnen erstaunlich wenig. Stattdessen erhält man den Eindruck, selbst bei oberflächlichem Durchgehen der Geschichte, es seien die Menschen immer gläubig gewesen, von Elementargöttern (Feuer-, Fruchtbarkeits- und Sonnengöttern), über die Vielgötterei der Ägypter, Griechen und Römer hin zu den heutigen monotheistischen Weltreligionen.

Dass man von den Atheisten der Frühzeit so wenig gehört hat, hat Gründe. Die Herrschenden, die den größten Teil der Geschichtsschreibung besorgten, waren eben auch immer mit den Göttern im Bunde. Und seit Religion Sache der Politik war – seit Anbeginn also – seither hatten Atheisten es schwer. Sie waren stets in der Minderheit, stets stigmatisiert, wo nicht kriminalisiert und mussten in ihrer religiösen Welt weitaus größere Geistes- und Lebensanstrengungen unternehmen, als ihre religiösen Zeitgenossen, die den Glauben einfach mehr oder minder kritisch übernahmen.

Die Zeiten haben sich geändert. Zwar ist die erdrückende Mehrzahl der Menschen noch immer religiös, aber es haben Religion und Staat begonnen sich zu entflechten. Laizismus gilt vielerorts als zivilisatorisches Ideal und es hat, seit ungefähr zweihundert Jahren, ein anhaltendes Streitgespräch zwischen Atheisten und Gläubigen statt.

Von diesem Streit will ich handeln. Es geht mir dabei weniger um die Argumente beider Seiten, als um die prinzipielle Natur dieses Streites. Natürlich gibt es daneben eine Strömung (auf beiden Seiten), die ihre jeweilige Position als nicht rechtfertigungsbedürftig oder als nicht rechtfertigbar, erachtet; Agnostiker zum Beispiel. Von denen sehe ich ab.

Mir geht es um diejenigen, die des Debattierens nicht müde werden und durchaus eine Pflicht angenommen haben, ihre Überzeugungen zu rechtfertigen. Für diese Leute will ich versuchen, den Wurzelgedanken jeder Debatte zwischen Atheisten und Gläubigen einmal recht deutlich an Tag zu bringen.

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Sinnsprüche und Splitter

Sinnsprüche und Splitter (2)

Phantasie: Ehrlichkeit ist die einfachste Art durchzukommen.

Grad, spitz und krumm: Das Zusammenstehen von Mann und Frau hat ihr Zusammenliegen zur Voraussetzung.

Am eignen Klang berauscht: Die wahrscheinlich genialste Erfindung des Menschen: Gott.

Erfindungen (2): Die wahrscheinlich genialste Erfindung des Menschen: Konstruktivismus. Weil er die Erfindung ist, die alle Erfindungen erfindet, einschliesslich seiner selbst.

Our time: Standing on the shoulders of dwarfs.

Dort: Das unangenehme wird dort kunstlos dem Nutzlosen verbunden.

Irrtum: Jeder Irrtum enthält etwas Richtiges. Manchmal überwiegt es. /ODER/ Beweist nicht, daß sich aus Irrtümern lernen lassen soll, daß sie im Wesentlichen richtig sind?

Kunst(3): Künstler wird, wer eine Artikulationsschwäche kompensieren muß.

Schönheit&Zeit: Alles ästhetische Empfinden bezieht sich auf den Augenblick. Schön können nur das Sein oder das Nicht-Sein sein; nie das Werden, als Prozeß erlebt. Lediglich, wer das Werden überdenkt und dergestalt wieder zu einem Augenblick zusammen zieht, kann dessen Schönheit empfinden. Das ästhetische Empfinden ist eine Art, die Zeit anzuhalten.

Vorläufigkeit und Lebensentwurf: Wer stets im Konjunktiv leben will, wird dennoch einmal im Indikativ sterben. /ODER/ Auch wer nur im Konjunktiv leben will, wird im Indikativ sterben müssen.

Selbstwerdung: Nicht in dem, was wir durchsetzen, formt sich unser Selbst, sondern in den Kompromissen, die wir eingehen müssen. Wer nie einen Kompromiss eingeht, ist niemand. Wer immer nur Kompromisse eingeht, ist auch niemand.

Vorsicht: Nichts ist so verletzlich, wie die Ordnung.

Die Wissenschaft teilt mit: Der Tod ist eine Zivilisationskrankheit.

Saure Trauben: Konservativ wird man aus Enttäuschung. Wer einnmal bei einer Losbude eine Niete gezogen hat, bekommt Angst er könnte von tausend Lebensalternativen eine von den 999 wählen, die eine Verschlechterung bedeuten.

An die Rechten:  Benehmt euch künftig //
Mal vernünftig!

An die Linken: Es reicht nicht, ungerecht behandelt worden zu sein, um Recht zu haben.

Aphorismus (3): Sprich doch mal ’n Machtwort! Nee. Mach doch mal ’n Sprichwort!

Geburt der Tragödie: Die Tragik der Geschichte ist, das meiste in ihr ist schon vorbei.

Bewältigungen (1): Die Aufgabe des modernen Menschen (Bürgers, Citoyen, Konsumenten) ist die Aufgabe seiner selbst.

The ugly duckling: Wer überhaupt etwas wissen will, darf nicht alles wissen wollen.

Aphorismus (4): Aphorismen sind diejenigen Rätsel, deren Lösung das Leben ist.

Das Absolute (1): Eine Sache zur Perfektion bringen, heisst, sie verderben.

Persönlichnehmen: Was wir ernst nehmen, wo wir uns fest beissen, das macht uns schlechter in der Art und besser in der Sache. Blut ist ein ganz besondres Bier: Meins.

Schmerzliche Erfahrung: Wissen ist Ohnmacht.

Frauen & Männer: Liebe will das Zueinanderfügen zweier Menschen. Frauenliebe ist Kraftschluss, Männerliebe ist Formschluss. Frauenliebe klebt, Männerliebe klammert.

Aphorismus (5): Nur wer reich an Geist ist, kann tief denken; aber was er da findet ist nie geistreich.

Untiefen: Täuscht Euch nicht: Ein Lob ist zehnmal schwieriger zu verkraften, als ein Tadel!

Einzige Wissenslücke: Ich weiß nicht, was ich nicht weiß. (Sokrates ver. 1.1)

Aphorismus (6): Witz heisst, auf die allerfeinsinnigste Art grob sein.

Freier Wille (2): Das Leben ist nichts als besinnungslose Erfüllung von inneren und äusseren Pflichten. Die inneren Pflichten sind die wahren Tyrannen; deshalb nennt man sie den freien Willen. Das Genie macht denn auch die einzig wahre Revolution: Es insurgiert gegen seinen freien Willen.

Irrtum und Wahrheit: Es gibt Irrtümer, die so tief und kenntnisreich sind,  daß man fürchten muß, daß keine Wahrheit es mit ihnen darin aufnehmen kann. (Religion,  Friedell) – Die Wahrheit, weil sie wahr ist,  kommt nach ihrer Dingbarmachung zum Stillstand, bzw. bedingt bestenfalls andere Wahrheiten. Der Irrtum aber,  weil er keinen zureichenden Grund findet,  wird immer tiefer gesponnen, bis er schließlich die ganze Welt enthält. Ich kann mich des Verdachts nicht entschlagen, dass wir so viel von der Welt wissen, weil wir das Tier mit der Befähigung zu den tiefstgreifenden Irrtümern sind.

Irrtum und Wahrheit (2): Je tiefer man irrt, desto wahrer lebt man. /und umgekehrt / Je wahrer man lebt, desto tiefer irrt man.

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Welterklärungen

Arbeit, Staat und Freiheit. Kleine Systematik. (Zweiter Teil, Draft.)

F O R T S E T Z U N G: S T A A T,  F U N K T I O N A L I S M U S   &   T E L O S

(41) Zweiter Gesang, erste Strophe.

(41a) Gesang ist die natürliche Form, das dicht Gedrängte dem Redundanten zu verbinden. Redundanz ist nicht nur die Mutter des Lernens und der Langeweile; sie macht auch die Welt überhaupt erst erkennbar und die Gesellschaft durchführbar. Redundanz liegt jedem System zugrunde, auch dem der Sprache; andernfalls zerfiele sie in einzelne Wörter, die keine Möglichkeit wechselseitiger Bezugnahme hätten. Redundant im Sinne einer bloßen Entfaltung des oben Gesagten ist auch alles hiernach Folgende.

(42) Ebenfalls redundant ist die Staatenbildung. Der Staat wurde von der Natur schon mehrfach erprobt, bevor die Menschen ihn neu erfanden. Meta-Arbeit ist etwas, das uns in der Natur auf mehreren Stufen begegnet.

(42) Wenn nicht den ersten, so zumindest den bedeutsamsten Staatsversuch unternahm die Natur beim Übergang vom Einzeller zum Vielzeller.

(43) Dieser Übergang ist mehrmals erfolgt; es gab ihn bei den Pflanzen, bei den Tieren und bei den rätselhaften Wesen dazwischen. Auch die Bakterien vollzogen ihn. Allerdings scheint bei den Zellkernlosen die erste Form innerartlicher Vergesellschaftung nie über ein primitives Stadium, den häßlich so getauften „Biofilm“, hinaus geführt zu haben. Wir wollen die Einzelheiten dieses Übergangs, gleichwohl er die womöglich spannendsten Fragen der Lebenswissenschaften berührt, nicht untersuchen. Wir konzentrieren uns allein auf das erste Auftreten des Staates.

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