Bekenntnisse

Imo, zum Ende Ihrer drei Leben

Trauerrede für Ingeborg Syllm-Rapoport, gehalten am 12. Mai 2017 auf dem Berliner Friedhof „Pankow III“

Zahlen kann ich mir besser merken, als Namen. Früher, als man Telephonnummern noch nicht im Handy speichern konnte, war das nützlich. Heute ist es ein verkümmertes Talent für das ich keine Verwendung mehr habe. Von allen Nummern, die ich einst wusste, kenne ich nurmehr eine: 4 7 7 4 3 6 6, die Nummer unserer Imo. Und nun ist auch diese Nummer nutzlos geworden. Ich brauche sie nicht mehr; niemand wird sie je noch brauchen. Unsere Imo ist gestorben.

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Bekenntnisse

Joachim Gauck, Nachpredigt.

Puh! Der Spuk ist vorbei und Gauck verschwindet wieder in der Berliner Puppenkiste. Klappe zu, Affe tot.

Ein säuerlicher Nachgeschmack bleibt. Als hätte man sich erbrochen.

Man weiss es nicht. Hat man? Sobald man sich zu einer Sache äussert, die schon in aller Munde ist, geht nicht mehr auszumachen, wer dann den schlechten Geschmack hat.

Nein, die Sache schmeckt mir ganz & gar nicht, auch wenn sie gewonnen ist. Schön, Gauck wurde irgendwie abserviert. So weit, so gut. Aber in Ansicht der großen Misère, die sich an der Sache sichtbar macht, ist mir das schon ganz Wurscht. Schlimme schlechter-Atem-Wurscht.

Dies ist die große Misère:

Die Berliner Puppenkiste ist schlecht gemacht. Alles an ihr. Das Stück, die Bühne, die Puppen, die Requisite, das ganze Drumherum. Das teuerste noch ist billig.

Das allein wäre nicht bedenklich. Wirklich mies ist, dass die Leute hingehen, obwohl nebenan die besten Bühnen auf sie warten. „Warten“ ist übrigens ein Euphemismus.

Das Gute, Schöne, Wahre muss sich feilbieten, als wäre es über dem Verfallsdatum. Wir leben in einer Zeit, deren Bewohner von zwei Dingen das häßlichere vorziehen, von zwei Taten die schlechtere und von zwei Sätzen die Lüge.

Es ist abersinnig bis zur Verrücktheit. Natürlich ist des Gutenschönenwahren erste Eigenart, gar kein Verfallsdatum zu besitzen. Oder doch in Zeiträumen zu vergehen, die unsere Lebenszeit übersteigen. Die Leute ziehen das Verfallbare vor. Was schlecht ist, genügt nicht. Es muß auch möglichst schnell noch schlechter werden. Das Verderbte muss verderben bis es stinkt. Das findet Beifall, Zuspruch, Aufmerksamkeit.

Wieso sich mir diese Verrücktheit ausgerechnet an dem eifernden Pfaffen Gauck eröffnet? Sehen Sie, ich führe hier seit gut zwei Jahren recht wenig betriebsam, man kann sagen: saumselig, mein geheimes Sudelbuch. Was ich hierein setze, beschäftigt sich mit Gegenständen, die unabhängig von Tageszeit und Wetterlage humorig oder bedenkenswert oder schön oder unterhaltsam sind. Ihr Verfallsdatum war ich stets bemüht, nach Jahren festzulegen, nicht nach Tagen.

Sie sind, wenn man will, Kunst oder Philosophie und manchmal eine Mischung aus beidem. Ich behaupte für diese Dinge keinen grossen Rang, aber ich behaupte ihre Gutgemachtheit. Man kann, wenn man über ein Aufnahmeorgan für derlei verfügt, Freude daran finden. Die Besucherzahlen in meinem Sudelbuch sagen mir: Allzu viele scheinen es nicht zu sein, die über dieses Aufnahmeorgan verfügen. Gut. Ist der erbauliche Ort eben wenig begangen.

Nun habe ich eine Ausnahme gemacht. Aus Versehen. Der eifernde Pfaffe ging mir auf die Nerven. Über diese Entnervtheit habe ich mich zu dem Fehler verleiten lassen, mich hier, im Sudelbuch, mit Tagespolitischem zu bemüssigen. Mit Dingen, deren Verfallsdatum übermorgen, spätestens nächste Woche ist.

Und plötzlich passiert etwas.

Plötzlich passiert, dass sich Horden in mein Sudelbuch klicken; der Traffic auf dieser Webseite steigt um Grössenordnungen. Kein Witz. Plötzlich herrscht Gedränge und Tumult. Es wird durcheinander genölt, geschwitzt, gestikuliert. Kein wenig begangener Ort mehr.

Aha, denke ich, so geht das. Man kann einen Staubsauger besser verkaufen, wenn man ihm Brüste anklebt. Ein Sudelbuch bekommt regen Leseandrang, wenn man ihm etwas Anstössiges auf den Buchdeckel klebt. Etwas Obszönes. Gauck.

Es trifft nicht zu. Einen barbusigen Staubsauger würde man am Ende dennoch zum Staubsaugen nehmen. Ein Buch mit einem Schundtitel würde man am Ende doch zum Lesen hernehmen. Indes, es hat sich nicht ereignet, dass die durch mein Sudelbuch sich wälzenden Hundertschaften irgendetwas anderes zur Hand genommen hätten, als den obszönen Buchdeckel. Keine zehn Prozent hat den erbaulichen Seiten dahinter auch nur einen Blick gegönnt.

Das Guteschönewahre, es steht neben dem Hochgejazzten wie das Aschenbrödel neben ihren aufgedonnerten Stiefschwestern. Mit dem Unterschied, dass Wirklichkeit ist: Der Prinz nimmt die mit den abgehackten Zehen und lebt glücklich bis an sein Lebensende.

Was ist an einem Artikel über Gauck interessanter, als an einem über den idealen Staat oder über Gottesbeweise? Die spinnen, die Bundis! (Zonis inbegriffen) Was haben die davon, dass sie an diesem Geschwurbel teilnehmen? Soweit ist es gekommen: Einst haben die Medien die Leute vor sich hergejagt. Heute jagen die Leute den Medien hinterher. Warum, in Dreigottesnamen?

Ich meine es todernst. Der Bundespräsident, wer immer es nun sei, wird nie irgendetwas sagen oder tun, das sich innerlich bedenken liesse. Selbst in der besten aller Welten würde er nie etwas erzeugen, das man tief bewundern oder seinen Kindern beibringen könnte. Er wird unserem Leben niemals irgendeine Art von Reichtum und Fülle schenken. Es ist nicht seines Amtes. Er ist, mit einem Wort, im Leben der Meisten eine Nebenfigur.

Im Leben derjenigen Meisten, die selbiges Leben daran wegwerfen, es heute mit dem Bundespräsidenten, morgen mit Guido Westerwelle und übermorgen mit einem anderen Schund zuzubringen. Wie geht das zusammen? Die Zeit, die wir auf etwas wenden, ist ein Maß für dessen Wichtigkeit. Wieso wenden wir die meiste Zeit auf Belangloses? Ist dies das tiefere Meinen von Demokratie? Soll das ganze Leben randvoll mit Betrieb angefüllt sein, damit man ganz vergisst, es auch zu bewältigen?

Ach, wäre es nur das Bewältigen! Es ist ja auch das Geniessen, das Amüsieren, das Lieben, das Hassen. Alles projiziert sich auf diese unwürdigen Gestalten und Gegenstände, deren Unwürdigkeit jeder umstandslos zugeben würde.

Es gibt nun eine Meinung, die sagt, das Platte wäre der Dünger des Hohen. Man könne sich nicht immer mit dem Gutenschönenwahren abgeben. Es strenge an. Es würde durch übermässigen Gebrauch gewöhnlich werden.

Das alles zugegeben. Es ist ja ein Strohmannargument. Ich behaupte nicht, man müsse. Und immer. Das Platte mag der Dünger des Hohen sein. Das Hohe, sage ich, hört auf, das Hohe zu sein, wenn niemand es für hoch ansieht. Wenn niemand es überhaupt nur ansieht.

Alle wollen düngen. Wozu denn, wenn niemand ernten will?

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Joachim Gauck, dagegen!

Es gibt Meinungen, für deren hinterm Berg halten man sich niemals ohrfeigen müssen will. Voilà! Ich bin gegen Joachim Gauck. Dagegen, dass er Bundespräsident wird, dagegen dass er sich um dieses Amt bewirbt, dagegen, dass er sich überhaupt in der Öffentlichkeit herzeigt.

Ich vermeide in der Regel, mich um Tagespolitisches anders zu bekümmern, als kategorisierend. Gegen Gauck mache ich eine Ausnahme. Gauck ist die Fratze der bundesdeutschen Vernunft, wenn sie zum Fanatismus wird. Ich schneide ihm eine Fratze zurück.

Jede Überzeugung hat ihre Fanatiker. Jene, die es damit übertreiben, die das Maß verlieren und in ihrem Eifer von Zweifeln gänzlich unangefochten sind. Sie haben nicht einfach recht in dem was sie tun. Sie haben rechtestens. Testestens. Der Fanatiker ist die am meisten Recht habende Person der Welt.

Wir wissen, wie ein islamistischer Fanatiker auszusehen hat. Man findet sein Paßbild fast täglich in der Zeitung. Wir wissen, wie ein jüdischer Fanatiker aussieht, nämlich wie ein islamistischer Fanatiker mit Hut und Schläfenlocken. Wir haben eine ungefähre Überlieferung, wie die Nazi-Fanatiker ausgesehen haben, aber wir erinnern uns nicht allzu gern; sie haben was von Familie. Wir kennen christliche Fanatiker, Fanatiker der RAF und der 68er Anti-Spiesser-Guerilla, wir kennen die Fanatiker, die mit Stalins Namen auf den Lippen starben, und jene, die es in japanischen Kamikaze-Flugeugen taten. (Geeifert wurde immer. Nicht immer wurde gestorben. Manchmal liess man auch sterben. Wichtig war allein, dass man es mit gutem Gewissen tat.)

Wissen wir aber, wie ein Fanatiker bundesdeutscher Vernunft aussieht? Ein grundguter Vollstrecker des Grundgesetzes? Ein Eiferer des Rechtsstaates? Seit Köhler zurücktreten musste, weil ihm versehentlich die Wahrheit über den Afghanistankrieg rausgerutscht war, wissen wir es wieder. Ach, wir hätten es so gern vergessen!

Die nach ihm benannte Behörde war ja umbenannt worden; der Mann also im Begriff, sich aus dem Gedächtnis zu scheren, wohin er gehört, in den Orcus. Nun ist er wieder da und mit ihm die alten Fragen: Wie muss einer beschaffen sein, um diese Behörde zu repräsentieren und ihr seinen Namen zu leihen? (Überhaupt: Welche Ausschüsse tragen den Namen ihrer Repräsentanten?) Wie kommt einer dazu, sich um diesen Posten zu reissen? Was ist das für eine Sorte Mensch?

Die Antwort liegt auf der Hand und steht ihm ins rechteckige Gesicht geschrieben: Man muss von der protestantischen Unbeirrbarkeit besessen sein, unter allen Umständen Gutes zu tun, koste es, was es wolle. Selbst Fernsehruhm und die Anfeindungen der Bösen und Ewiggestrigen muss man klaglos in Kauf nehmen können. Nur, wer Lichtgestalt sein will, nein, Lichtgestalt ist, kann als Vergelter gehen. Der Erzengel Gabriel ist das Urbild aller Fanatiker.

Durchaus: Vergeltung. Es war klar, ist klar, wird klar bleiben, dass die Gauck-Behörde nie der Herstellung von Gerechtigkeit diente. Ein Dialog zwischen Tätern und Opfern wäre vielleicht möglich gewesen, hätte man Instrumente, wie die Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika geschaffen. Es hat einen Grund, weswegen die TRC, mit deren Hilfe die Verbrechen des Apartheidsregimes ruchbar gemacht werden sollten, ihr Vorbild nicht in der Gauck-Behörde suchte.

Die Gauck-Behörde war ein Vergeltungsinstrument der Sieger und ein Unterdrückungsinstrument gegen die Verlierer. Ihr Wirken war nicht konstruktiv auf die Zukunft, sondern destruktiv auf die Vergangenheit gerichtet. Sie machte aus altem Unrecht neues. Man musste durchdrungen sein, von dem, was heute Rechtsstaatlichkeit heisst, wollte man ihr überzeugt vorstehen. Man muss die Gabriel-Mentalität des gerechten Vergelters haben, um weder aus Hass, wie es das Fräulein Lengsfeld getan hätte, noch aus Macht- und Karrieregeilheit, wie sie das Fräulein Merkel umtreibt, diesen Posten auszufüllen. Man muss ein Pflichterfüller, ein Fanatiker der Bundesrepublik sein.

Komisch, dass gerade der ostdeutsche Pfaffe Gauck so ein Fanatiker ist. Wie konnte er sich die bundesdeutschen Überzeugungen so schnell zu eigen machen? Die Antwort ist, die Sorte ist so. Man muss sie nur an den richtigen Platz stecken. Eigentlich nichteinmal das. Man muss ihnen den richtigen Platz nur in Aussicht stellen. Das genügt. Dann ist nichts vor ihrem heiligen Eifer sicher. Nichtmal sie selbst. Die Aufgabe des Fanatikers ist ja die Aufgabe seiner selbst. Er ist ganz Überzeugung. Das ist keine Deformatión professional. Nicht der Posten sucht und formt sich den Mann. Der fertige Mann sucht den Posten. Leider wurde die Behörde und mit ihr der Gauck-Posten geschaffen. Man kann getrost behaupten, eine Gesellschaftsordnung sei desto schlechter, je mehr Posten für solche Männer sie bereit stellt.

Folglich beängstigt, dass er nun zum Amt des Bundespräsidenten drängt. Sollte das auch ein Posten für Fanatiker und Gesinnungstäter sein? War nicht immer die Vorstellung beruhigend, das Amt des Bundespräsidenten sei nicht, ein Machtwort zu sprechen, sondern bestenfalls, ein Sprichwort zu machen? Gern schmunzelt man noch heute über Roman Herzogs Wort vom «Ruck», der durch Deutschland gehen müsse. Das war vor 13 Jahren und wirkt noch immer so anrührend naiv und unverbraucht, wie einst.

Ich fürchte, so harmlos wird es nicht bleiben. Nicht mit Gauck. Gauck wird das Amt des Bundespräsidenten brutalisieren. So wie Dieter Bohlen das Fernsehen für seine Zwecke brutalisiert. Bohlens Zwecke, das sind lediglich Geschäfte und Großmannssucht. Damit gäbe sich Gauck nicht zufrieden. Er würde aus dem betulichen Amt des Bundespräsidenten eine Kanzel des bundesdeutschen Mainstreams machen. Einen Panzer, einen Schützenturm des politisch Korrekten. Er hätte jeden Tag so unerträglich Recht bis seinen Zuhörern das Blut aus den Ohren stürzte. Er wüsste die Masse des linksliberalen Meinens hinter sich und schöpfte aus dieser Einbildung eine schreckliche Unbeirrbarkeit. Jeden Tag aufs Neue. Den Geist, den sie riefen, würden sie nicht wieder los. Und verfluchen werden sie den Tag, da sie dem schlafenden Eifer des Joachim Gauck ein neues Betätigungsfeld gaben.

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Gedichte

Dezenniumsgruss

IRREN IST KOMISCH

Ich habe gelacht, nun spüre ich Reue.
Nie lach ich ohne Trift.
Der Grund des Lachens ist, dass es
Auf alle Gründe schifft.

Wasserabschlagend & herzinniglichst verbunden ein maselreiches Jahr wünschend,
Ihre Ina
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Bekenntnisse

Die Anzahl der Götter (1)

Felix Bartels hat mir durch seinen Blog-Eintrag „Goethesdienst“ ein altes Vorhaben wieder ins Gedächtnis gerufen. Dieses, ein Piece darüber zu schreiben, wie sich die Anzahl der Götter im Laufe der Zeit beständig verringert hat. Zu dem Zweck hatte ich eigens den Tiele/Söderblom konspektiert; dann ist mir die Sache, wie das so manchmal geschieht, aus den Augen geraten.

Scharf im Auge jedoch, vom Parnassos hinübergleissend:

Wir sind naturforschend Pantheisten, dichtend Polytheisten, sittlich Monotheisten.  (J.W. v. Goethe)

Und Atheisten? Wann sind wir Atheisten?

Atheisten sind wir, wenn wir ehrlich sind.  (Calendula alias Ina Eff)

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Freier Wille (2)

Er denkt also, wie er will? Zugestanden, aber haben Sie jemals einen getroffen, der gedacht hätte, wie er nicht wollte?

Peter Hacks

Das Zitat gibt Frank Schirrmacher in der FAZ zu Hacksens 80. Geburtstag als Beleg für dessen „hinreissende Intelligenz“. Hacks bildete sich auch wahrscheinlich ein, dass ihm mit diesem Bonmot etwas ausserordentlich Geistreiches gelungen sei. Wir wollen nicht ungerecht sein und geben ihm das gern zu, nur vermehrt um die Quelle, der dieser Gedanke entschöpft ist. Wieder einmal wurde der Original-Gedanke von dem grossen, leisen Alfred Polgar vorgedacht, und zwar in der anrührenden Skizze „Liebe und dennoch“. Darin es heisst:

Über Willensfreiheit läßt sich diskutieren, aber Willensfreiheit des Denkens gibt es ganz gewiß nicht. Da ist alles zwangsläufig, da fahren wir in Geleisen, und nur wo wir haltmachen und aussteigen wollen, nur das beschliessen wir frei. Scheinbar.

Alfred Polgar

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Gedichte

Giordano Bruno

 

Giordano Bruno

 

Auf seiner Kathedra Petri saß

Clemens und starrte verdrossen,

Zwei Stunden schon waren verflossen.

Zwei Stunden schon! Quälend, und ohne daß

Ihm beifiel, wie schwer er die Strafe bemaß.

– Es lies sich indes nicht vermeiden,

Er mußte die Sache entscheiden.

 

Der Fall, vom Grunde her beseh’n

War eigentlich leicht zu lösen:

Der Kerl mußte seinen Thesen

Pro Forma entsagen; – nur den Ideen,

Die Frevel waren. – Es wäre gescheh’n,

Wenn man ihm erklärte, wie ernst es stand

Dann, gewiss, widerriefe er kurzerhand.

 

Doch zornig steigt es in Clemens hoch

Wie oft hatte man schon probiert! 

Den Widerruf ihm souffliert,

Doch er zerriß ihn und lachte noch

„Glaubt ihr“ scholls aus dem Kerkerloch,

„Ihr könnt die Gedanken, die einmal gedacht,

Ungedacht machen durch Eure Macht?“

 

War Kühnheit das? Blödheit? Gottesgnad‘?

Die Stärke seiner Gedanken 

Spricht nicht für einen Kranken.

– Was ist’s mit seinem Postulat,

Die Sonne sollte an Erden statt

Der Welten Angel und Mitte sein?

Wo nimmt er das her? Wer gibt ihm das ein?

 

Wie kommt es, daß der sich so versteigt?

Und durch Gedankenmut

Den tiefsten Einblick tut,

Indes die heilige Schrift dazu schweigt.

– Wir wollen doch sehen, wem Gott sich neigt.

Und den Blick von der Erd hebt er auf in die Höh,

„Mit Gott, führt ihn morgen zum Autodafè!“

 

Giordano Bruno wurde am 17. Februar 1600 öffentlich verbrannt, weil er sich verschiedener Gotteslästerungen schuldig gemacht, und in keinen Widerruf eingewilligt hatte. Neben der Leugnung Jesu als Gottessohn vertrat er ein kopernikanisches Weltbild, die Unendlichkeit des Universums und ferner eine der ersten neuzeitlichen „viel-Welten-Theorien“.

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