Gedichte

Dezenniumsgruss

IRREN IST KOMISCH

Ich habe gelacht, nun spüre ich Reue.
Nie lach ich ohne Trift.
Der Grund des Lachens ist, dass es
Auf alle Gründe schifft.

Wasserabschlagend & herzinniglichst verbunden ein maselreiches Jahr wünschend,
Ihre Ina
Standard
Mit fremden Federn

Mit fremden Federn (in der Art von St. Lem): Stirn und Dominiak ersinnen den idealen Staat

Stirn und Dominiak waren stark im Denken begriffen.

Innerhalb weniger Minuten waren sowohl das erste, als auch das zweite Flausen-Lemma niedergeworfen. (c) Heinz-Karl Bogdanski

Die unübertrefflichen Großdenker und Omnikreateure Stirn und Dominiak hatten beschlossen, das Problem des idealen Staates ein für alle mal zu lösen. Stirn saß, den Blick starr auf das weiße Blatt vor ihm, an einem winzigen Tischlein. Auf dem fand gerade die Schreibmaschine Platz, in die er das Papier vor Tagen eingespannt hatte. Dominiak lief seit dieser Zeit auf und ab. Augenscheinlich waren beide stark im Denken begriffen.

Die Luft war erfüllt mit knisternden Wesenheiten, Gedanken und Inspirationen, die, durch den angestrengten Geist herbeigelockt, zu ungeheurer Dichte zusammengepfercht wurden. Nur so bestand Hoffnung, dass sie wechselwirkten und durch Rekombination und Permutation Neues ergaben.
Weiterlesen

Standard
Hardcore

Die Spiegelmetapher: Zwei Spiegel, einander vorgehalten

Sicher kennen Sie das: Zwei Spiegel, einander vorgehalten. Wenn derer Flächen so gedreht sind, dass sie sich genau parallel zueinander finden, erzeugen sie plötzlich eine endlose Reihe einander wiederzeugender Spiegel, so dass sich die Illusion einer eröffneten Dimension, einer neuen Räumlichkeit ergibt. So stelle ich mir die Beziehung zwischen Sein und Bewusstsein vor.

Ah!, Wiederspiegelungstheorie werden Sie jetzt gelangweilt sagen. Nicht ganz. Eigentlich ganz und gar nicht. Warten Sie es ab!
Weiterlesen

Standard
Nachdenklichkeiten

Ungerechtfertigte Rechtfertigungen (2): Heimzahlungsideologien.

Zweite Seminarstunde: Die Sonderrechte der Opfer. Heimzahlungsideologien.

Nicht folgt aus dem Opfer-sein ein gerechtfertigter Anspruch auf Aggressivität, allgemeine Heimzahlung und wüstes Gebaren. Ich bin keine prinzipielle Gegnerin von Wildheit und Zerstörung. Es gibt bisweilen Gründe. Ich bin sehr dagegen, das mit Opfersein zu rechtfertigen. Opfersein begründet vieles, aber es rechtfertigt nichts.

Weiterlesen

Standard
Szenen

Szenen (1): Du bis Out!

Ungefähr zweimal im Jahr trifft sich der Verband der Szenekneipen in einem ihrer Mitglieder und bestimmt über Neuaufnahmen und Ausschlüsse. In jedem anderen Verband gibt es einen Tagesordnungspunkt “Sonstiges”. Hier nicht. Der Verband verfolgt eben keine sonstigen Interessen, ausser dem einen eminent wichtigen, wer dazugehört und wer nicht.

Diesmal hat es das “Große Nichts” am Zionskirchplatz getroffen. Es ist out.
Weiterlesen

Standard
Nachdenklichkeiten

Ungerechtfertigte Rechtfertigungen (1): I-did-it-the-hard-way

Grund, Ursache, Rechtfertigung: Es ist jetzt nicht so, dass jeder Mensch jederzeit diese Begriffe mit der nötigen Trennschärfe voneinander scheidet. Dabei könnte die Welt ein Garten sein, mindestens aber ein Blumenbeet, wenn gerade an dieser Stelle größere gedankliche Sorgfalt walten würde.

Das Problem kommt nicht von ungefähr, es hat eine Ursache (Einen Grund? Eine Berechtigung?). Unsere schöne deutsche Sprache nämlich hält nur ein einziges Fragepronomen bereit, das nach allen Begründungen zugleich fragt; es heisst: „Warum?“. (Mit „Wieso“ und „Weshalb“ muss jetzt niemand herumfuchteln; ist klar, warum?)

Woher soll der Gefragte dann wissen, ob die Erkundigung nach der Ursache, nach seinen Gründen oder nach seiner Rechtfertigung geht? Er fällt, je nach Veranlagung, Zusammenhang und Gefühlslage einmal in diesen und einmal in jenen Modus der Begründung. Konfusion, Ärger, Chaos und Krieg sind die Folge.
Doch als wären die pronomenmangelbewirkten Verheerung nicht fatal genug, kommt es auch innerhalb der rechten Kategorien ständig zu Fehlern und Irrtümern. Da gibt es vorgeschobene Gründe, scheinbare Ursachen, oder Ursachen, die in Wirklichkeit lediglich Korrelationen sind. Es gibt gründelnde Gründe und Spitzfindigkeiten. Man konstruiert, oder bildet sich was ein. Man vertauscht Ursache und Wirkung. Man unterstellt und projiziert. Kurz, das Reich der Begründungen ist ein Morast, in dem auch der ehrenhafteste Wille zum Zusammenhang schliesslich versinken und verfaulen muss.
Ich müsste von Sinnen sein, wollte ich den faulen Pfuhl noch abziehn. Es wär‘ für dieses mal schon höchsterrungen, wenn ich nur Klarheit in eine dieser Kategorien brächte. Und so nehme ich mir die einfachste unter ihnen her.
Es folgt das Seminar über ungerechtfertigte Rechtfertigungen.
(1) I did it the hard way
“I did it the hard way”: Wenn Einer viel Mühe, Leid, Schweiß, Tränen etc. darauf wenden mußte, eine Einsicht, eine Fertigkeit oder eine Haltung zu erringen, kommt es mit großer Sicherheit zu dieser Haltung gegen jene, die die selbe Einsicht/Fertigkeit/Haltung ohne das erworben haben.
Sie kommt ständig und auf allen Gebieten vor: Gilt z.E. für Gottesfurcht, die von Spätbekehrten viel intensiver und innerlich erschütternder empfunden werden will, als von denen, die sie einfach vom Tischgebet Ihrer Kindheit her haben. Gilt für das Verständnis der allgemeinen Relativitätstheorie/Quantenelektrodynamik etc., die jeder Laie, der sich den mathematischen Formalismus mühsam ‘reingezogen hat, selbstredend weitgehender begreift, als ein spätpubertärer Physikstudent – was red’ ich! – gerade, wenn der Laie trotz Mühen den Formalismus <i>nicht</i> begriffen hat, hält er sich für befugt, den anderen Ignoranz und Überhebung vorzuwerfen.
“I did it the hard way”: Gilt für den Kommunismus, den jeder ideologisch Irrlichternde schliesslich genauer kapiert haben will, als Marx oder die professionellen Philosophen. Es gilt für Instrumentenkünstler, die kein musizierendes Elternhaus hatten, für Holocaustleugner, die nicht unter Hitler großwerden durften, für die Angler, die nicht bezeiten zum Häkchen gekrümmt wurden – you name it.
Ich sage nicht, daß da nichts dran sei. Es ist was dran. Doch, es gibt einen Unterschied in der Selbstverständlichkeit, in der Intensität, im Eifer etc., mit dem “I did it the hard way”-Typen das ihre tun. Nur den Fehler dürfen sie nicht machen, die von Ihnen erkannte Wahrheit für wahrer zu halten, weil sie unter erschwerten Umständen erworben war. Denn das ist die eigentliche Albernheit von “I did it the hard way”, eine wahre Wahrheit von einer falschen Wahrheit scheiden zu wollen.
“I did it the hard way” ist die unzulässige Vermischung des Inhalts einer Aneignung mit der Geschichte ihres Zustandekommens. Man soll das nicht in genauso unzulässiger Weise allzu strikt trennen. Aber wenn ich die Newton’sche Mechanik begreife, weil ich sie in der Schule gelernt habe, dann habe ich sie nicht weniger begriffen, als ein austraischer Buschmann, der sie in lebenslanger Mühe selbst nacherfinden mußte. Es ist gerade das Konstituierende des Wahrheitsbegriffes, einen überpersönlichen Anspruch zu markieren, einen Gültigkeitsanspruch, der in weitem Mass – vielleicht nicht gänzlich – unabhängig von den konkreten Aneignungsprozessen ist.
Wäre es hingegen so, wie “I did it the hard way” impliziert, so wäre der z.B. Kommunismus per se – und ich übertreibe, damit verstädnlich wird, was ich meine – per se von niemandem kapierbar, der nicht in seiner Kindheit nach Strich&Faden durchgeprügelt wurde. Was für eine Lehre, die Heilslehre der Verhinderten und Geprügelten, deren Erlernen eben das Fortbestehen, anstatt des Abschaffens solcher Zustände benötigtEs ist jetzt nicht so, dass jeder Mensch jederzeit diese Begriffe mit der nötigen Trennschärfe voneinander scheidet. Dabei könnte die Welt ein Garten sein, mindestens aber ein Blumenbeet, wenn gerade an dieser Stelle größere gedankliche Sorgfalt walten würde.Das Problem kommt nicht von ungefähr, es hat eine Ursache. Unsere schöne deutsche Sprache nämlich hält nur ein einziges Fragepronomen bereit, das nach allen Begründungen zugleich fragt; es heisst: „Warum?“.

Woher soll der Gefragte dann wissen, ob die Erkundigung nach der Ursache, nach seinen Gründen oder nach seiner Rechtfertigung geht? Er fällt, je nach Veranlagung, Zusammenhang und Gefühlslage einmal in diesen und einmal in jenen Modus der Begründung. Konfusion, Ärger, Chaos und Krieg sind die Folge.

Als wäre die pronomenmangelbewirkten Verheerungen nicht fatal genug, kommt es auch innerhalb der rechten Kategorien ständig zu Fehlern und Irrtümern. Da gibt es vorgeschobene Gründe, scheinbare Ursachen, oder Ursachen, die in Wirklichkeit lediglich Korrelationen sind. Es gibt gründelnde Gründe und Spitzfindigkeiten. Man konstruiert, oder bildet sich was ein. Man vertauscht Ursache und Wirkung. Man unterstellt und projiziert. Kurz, das Reich der Begründungen ist ein Morast, in dem auch der ehrenhafteste Wille zum Zusammenhang schliesslich versinken und verfaulen muss.

Ich müsste von Sinnen sein, wollte ich den faulen Pfuhl noch abziehn. Es wär‘ für dieses mal schon höchsterrungen, wenn ich nur Klarheit in eine dieser Kategorien brächte. Und so nehme ich mir die einfachste unter ihnen her.

Es folgt das Seminar über ungerechtfertigte Rechtfertigungen. Weiterlesen

Standard