Bekenntnisse

Die Anzahl der Götter (1)

Felix Bartels hat mir durch seinen Blog-Eintrag „Goethesdienst“ ein altes Vorhaben wieder ins Gedächtnis gerufen. Dieses, ein Piece darüber zu schreiben, wie sich die Anzahl der Götter im Laufe der Zeit beständig verringert hat. Zu dem Zweck hatte ich eigens den Tiele/Söderblom konspektiert; dann ist mir die Sache, wie das so manchmal geschieht, aus den Augen geraten.

Scharf im Auge jedoch, vom Parnassos hinübergleissend:

Wir sind naturforschend Pantheisten, dichtend Polytheisten, sittlich Monotheisten.  (J.W. v. Goethe)

Und Atheisten? Wann sind wir Atheisten?

Atheisten sind wir, wenn wir ehrlich sind.  (Calendula alias Ina Eff)

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Kindergeschichten

Wie Renate beinahe eine Kröte wurde

"Renate und die Kröte tauschten ihre Kleider." (c) 2008 Ekkehart Müller

"Renate und die Kröte tauschten ihre Kleider." (c) 2008 Ekkehard Müller

Morgen würde Renate sechs Jahre alt werden. Herrje, war Sie aufgeregt.

Eigentlich gefiel Renate durch Huld und Würde, aber wenn ihr Geburtstag nahte, dann konnte sie nicht einschlafen, selbst wenn die Eltern es befahlen.

Der Grund war natürlich, dass sie es nicht aushielt, endlich die Geschenke auspacken zu dürfen. Sie wusste auch schon genau, was darin sollte: Ein rosa Kleid mit Glitzer und Puffärmeln, dazu eine silberne Strumpfhose. Passend ein paar rote Ballettschuhe und – das war das wichtigste – eine Prinzessinnen-Krone.

Die Eltern hatten langweilige Vorschläge gemacht, was Renate sich besser wünschen sollte: Eine Schreibtafel mit Kreiden. Neue Malfarben mit sauberen Pinseln. Knete, die nicht ausgetrocknet war. Und so weiter.

„Liebe Eltern“, hatte Renate versetzt, „ich muss den Eindruck gewinnen, dass ihr mich nicht ernst nehmt.“

Dieses Tadels wollten die Eltern nicht schuldig sein. So kam es, dass Renate in ihren Geburtstagspaketen genau das Prinzessinnen-Zubehör fand, das sie sich gewünscht hatte. Rosakleid mit Glitzer und Puffärmeln, Silberstrumpfhose, dazu die roten Schuhe. Und die Krone.

Renate jubelte: „Vater!“, rief sie ein ums andere mal, und: „Mutter!“ – und wusste vor Entzücken gar nicht, was sie noch an Dankesworten hinzufügen sollte. Stracks zog sie all die Herrlichkeiten an und hüpfte durch die Wohnung.

Sie kam in die Küche, wo sie aus der Spülmaschine eine schartige Stimme zu hören meinte: „Hübsches Kind, komm näher!“ Wie Sie aber voll Neugier nachsah, schnellte ihr etwas entgegen, sie wurde in die Spülmaschine hinein gezogen und ehe sie sich versehen hatte schlug die Klappe hinter ihr zu.

„He“, rief sie, „ich bin doch kein Teller!“

„Na und“, antwortete die schartige Stimme, „ich bin ja auch keine Gabel.“

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Bekenntnisse

Freier Wille (2)

Er denkt also, wie er will? Zugestanden, aber haben Sie jemals einen getroffen, der gedacht hätte, wie er nicht wollte?

Peter Hacks

Das Zitat gibt Frank Schirrmacher in der FAZ zu Hacksens 80. Geburtstag als Beleg für dessen „hinreissende Intelligenz“. Hacks bildete sich auch wahrscheinlich ein, dass ihm mit diesem Bonmot etwas ausserordentlich Geistreiches gelungen sei. Wir wollen nicht ungerecht sein und geben ihm das gern zu, nur vermehrt um die Quelle, der dieser Gedanke entschöpft ist. Wieder einmal wurde der Original-Gedanke von dem grossen, leisen Alfred Polgar vorgedacht, und zwar in der anrührenden Skizze „Liebe und dennoch“. Darin es heisst:

Über Willensfreiheit läßt sich diskutieren, aber Willensfreiheit des Denkens gibt es ganz gewiß nicht. Da ist alles zwangsläufig, da fahren wir in Geleisen, und nur wo wir haltmachen und aussteigen wollen, nur das beschliessen wir frei. Scheinbar.

Alfred Polgar

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Nachdenklichkeiten

G C Lichtenberg (3): Konstruktivismus II

Ein etwas vorschnippischer Philosoph, ich glaube Hamlet Prinz von Dänemark hat gesagt: es gäbe eine Menge Dinge im Himmel und auf der Erde, wovon nichts in unseren Compendiis steht. Hat der einfältige Mensch, der bekanntlich nicht recht bei Trost war, damit auf unsere Compendia der Physik gestichelt, so kann man ihm getrost antworten: gut, aber dafür stehn auch wieder eine Menge von Dingen in unsern Compendiis wovon weder im Himmel noch auf der Erde etwas vorkömmt. [L153]

Wir nehmen Dinge wahr vermöge unsrer Sinnlichkeit. Aber was wir wahrnehmen sind nicht die Dinge selbst, das Auge schafft das Licht und das Ohr die Töne. Sie sind außer uns nichts. Wir leihen ihnen dieses. Ebenso ist es mit dem Raume, und der Zeit. (…) [J1143]

Vom empirischen und intelligibeln Charakter. Es wäre doch ein Wesen möglich außer Gott, das sich selbst determinierte, ohne Dependenz von Kausalität.[J1148]

Man könnte den Menschen so den Ursachen-Bär, so wie den Ameisen-Bär nennen. Es ist etwas stark gesagt. Das Ursachen-Tier wäre besser. [J1315]

(…) Die Ärzte sollten nicht sagen, den habe ich geheilt, sondern der ist mir nicht gestorben, so könnte man auch in der Physik sagen, ich habe davon Ursachen angegeben, wovon man am Ende die Absurdität nicht zeigen kann, anstatt zu sagen, ich habe erklärt. [J1316] 

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Gedichte

Giordano Bruno

 

Giordano Bruno

 

Auf seiner Kathedra Petri saß

Clemens und starrte verdrossen,

Zwei Stunden schon waren verflossen.

Zwei Stunden schon! Quälend, und ohne daß

Ihm beifiel, wie schwer er die Strafe bemaß.

– Es lies sich indes nicht vermeiden,

Er mußte die Sache entscheiden.

 

Der Fall, vom Grunde her beseh’n

War eigentlich leicht zu lösen:

Der Kerl mußte seinen Thesen

Pro Forma entsagen; – nur den Ideen,

Die Frevel waren. – Es wäre gescheh’n,

Wenn man ihm erklärte, wie ernst es stand

Dann, gewiss, widerriefe er kurzerhand.

 

Doch zornig steigt es in Clemens hoch

Wie oft hatte man schon probiert! 

Den Widerruf ihm souffliert,

Doch er zerriß ihn und lachte noch

„Glaubt ihr“ scholls aus dem Kerkerloch,

„Ihr könnt die Gedanken, die einmal gedacht,

Ungedacht machen durch Eure Macht?“

 

War Kühnheit das? Blödheit? Gottesgnad‘?

Die Stärke seiner Gedanken 

Spricht nicht für einen Kranken.

– Was ist’s mit seinem Postulat,

Die Sonne sollte an Erden statt

Der Welten Angel und Mitte sein?

Wo nimmt er das her? Wer gibt ihm das ein?

 

Wie kommt es, daß der sich so versteigt?

Und durch Gedankenmut

Den tiefsten Einblick tut,

Indes die heilige Schrift dazu schweigt.

– Wir wollen doch sehen, wem Gott sich neigt.

Und den Blick von der Erd hebt er auf in die Höh,

„Mit Gott, führt ihn morgen zum Autodafè!“

 

Giordano Bruno wurde am 17. Februar 1600 öffentlich verbrannt, weil er sich verschiedener Gotteslästerungen schuldig gemacht, und in keinen Widerruf eingewilligt hatte. Neben der Leugnung Jesu als Gottessohn vertrat er ein kopernikanisches Weltbild, die Unendlichkeit des Universums und ferner eine der ersten neuzeitlichen „viel-Welten-Theorien“.

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Nachdenklichkeiten

G C Lichtenberg (2): Freier Wille

Daß wir glauben wir handeln frei, wenn wir Maschinen sind, könnte das nicht auch Form des Verstandes sein? Es ist uns überhaupt unmöglich die ersten Entstehungen zu bemerken, wir bemerken überall nur was geschehen ist, nicht wie es geschieht, wenn wir also glauben wir tun jetzt eine Sache, so ist sie schon getan. [J1275]

Aber, aber, mein lieber Lichtenberg! Ist ein Wunsch, dessen Reifen wir nicht bemerken, deswegen unfrei? Betrifft Freiheit überhaupt das Ungewußte, Vorbewußte? Belangt nicht, was Freiheit meint, unser Belieben, unsere Willkür? (Das am meisten dialektische Wort im Deutschen heißt „Willkür“. Erkorener, dh. frei, nach Gutdünken gewählter Wille: Das ist Zwang.)

Ich meine, Freiheit heißt im Grunde wir kennen die Situation des bewussten Abwägens. Wenn wir das Vorkommen dieser Art sich zu verhalten anerkennen, dann gibt es keinen Grund, dem Menschen, sei er noch so maschinenhaft im Mechanismus seines Abwägens, die Freiheit seines Willens abzusprechen.

Es muß, wer die Freiheit des menschlichen Willens verneint, überhaupt leugnen, daß es etwas gibt, wie eine Wahlsituation. Eine der vielen absurden Konsequenzen dieser Meinung wäre, dass es keinen Sinn hätte, diese Meinung zu vertreten. Genauer, jegliches Meinen wäre sinnlos.

Wenn nämlich keine Wahl ist, ob ich dieser Meinung bin oder nicht, wozu die Sache groß behaupten? Wer die Existenz von Wahsituationen leugnet, gibt u.a. jeden Überzeugungsanspruch auf, denn es gäbe in seiner Welt keine Wahl, ihm zu glauben oder nicht.

Freiheit ist die Illusion, selbst entscheiden zu können.

PS: Man soll mir nicht damit kommen, Illusionen existierten nicht. Natürlich existieren sie.

PPS: Gott, der Wille! Fast hätte ich den vergessen. Was nun der Wille sei? Nehmen wir der Einfachheit halber den Willen als das Bestreben, eine getroffene Entscheidung handelnd zu verwirklichen. Der Wille folgt. Was vorher wirkt, sei Drang genannt.

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Nachdenklichkeiten

Wenn Gott bewiesen werden kann, warum soll man noch an ihn glauben?

Gottesbeweise! Ich liebe Gottesbeweise! Sie gehören zu den wenigen Belegen, dass irgendwo auf diesem Planeten intelligentes Leben vorkommt. Natürlich sind sie, bewahre!, nicht alle gleich beweiskräftig. Die Intelligenz auf diesem Planeten betreffend, meine ich.

Unangefochtener König aller Gottesbeweise ist seit nunmehr fast eintausend Jahren der ontologische. Immer noch verursacht er jedem, der sichernsthaft mit ihm beschäftigt, heftiges Hirngleißen. Also da sei Gott vor!, ich werde den ontologischen Gottesbeweis fürs Erste einmal hingehen lassen, als nähme ich gar keine Notiz von ihm.

Nein, mir ist itzo eher nach den schwächeren Gottesbeweisen zumute; an ihnen kann ich meinen Scharfsinn wetzen, während er im Fall der starken Beweise womöglich schartig würde. – Spaemann wieder! Mein Mann der Stunde! Er hat einmal in der „Welt“ einen Gottesbeweis gemacht, der so ging:

Ich möchte das was ich meine, daß nämlich Wahrheit Gott voraussetzt, an einem letzten Beispiel verdeutlichen, an einem Gottesbeweis, der sozusagen nietzscheresistent ist, einem Gottesbeweis aus der Grammatik, genauer aus dem sogenannten Futurum exactum. Das Futurum exactum, das zweite Futur, ist für uns denknotwendig mit dem Präsens verbunden. Von etwas sagen, es sei jetzt, ist gleichbedeutend damit zu sagen, es sei in Zukunft gewesen. In diesem Sinne ist jede Wahrheit ewig. Daß am Abend des 6. Dezember 2004 zahlreiche Menschen in der Hochschule für Philosophie in München zu einem Vortrag über Rationalität und Gottesglaube versammelt waren, das nicht nur an jenem Abend wahr, das ist immer wahr. Wenn wir heute hier sind, werden wir morgen hier gewesen sein. Das Gegenwärtige bleibt als Vergangenheit des künftig Gegenwärtigen immer wirklich. Aber von welcher Art ist diese Wirklichkeit? Man könnte sagen: in den Spuren, die sie durch ihre kausale Einwirkung hinterläßt. Aber diese Spuren werden schwächer und schwächer. Und Spuren sind sie nur, solange das, was sie hinterlassen hat, als es selbst erinnert wird.

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Nachdenklichkeiten

G C Lichtenberg (1): Radikaler Konstruktivismus

Ich fasse [J 375] und [J 376] zu einem Großexzerpt:

(…) Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zuhilfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserem Gedächtnis etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn heineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. (…) Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus (*sich einen Reim auf etwas machen!*) Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir müssen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können. (…) alles das ist nicht in den Dingen, sondern in uns. Überhaupt kann man nicht gnug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur, zumal unsere Ordnungen beobachten.

Wenn jemand eine Uhr machen könnte, die die Bewegung der Himmelskörper so genau als in der der Natur darstellte, würde der nicht ein großes Verdienst haben, obgleich die Welt nicht durch Räderwerk geht? Er würde selbst durch diese Maschine manches entdecken, was er nicht hinein getragen  zu haben glauben würde. Und was ist der Kalkül anders, als etwas dieser Maschinerie Ähnliches?

notierte Lichtenberg ca. 1790. Darüber wird zu reden sein.

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Bekenntnisse

Willkommen im „geheimen Sudelbuch“ der Ina Eff !

 

Sudelbücher: Zugegeben, Dialog und Widerrede entringen mir schärfere Gedanken, als Selbstrede und -billigung. Aber die Welt ist nicht so eingerichtet, dass sich ein  stets rufbarar Geist in ihr zur Verfügung hielte, der mir jedweden Gedanken so kritisierte und lobte, dass der sich bewegte und Klarheit gewönne.

Dem Mißstand abzuhelfen dieses Grummelbrett. Zweierlei Hoffnung hangen ihm an: Erstens, ichselbst könne mir durch den Prozeß des Niederschreibens heimleuchten. Das ist ein alter Hut. Zweitens, es mag wohl Jemand durch Zufall in diesen WWWinkel verschlagen werden, der durch einen Satz oder eine Formulierung angezeckt wird. Vielleicht, ich bin so närrisch, darauf zu hoffen, nimmt er dann sogar die Mühe eines Kommentars auf sich. – Ah, Internet is great!

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Stammzelldebatte

Spaemann gegen Spemann

Robert Spaemann, Stellungnahme zur Anhörung im Bundestag

Ich erlaube mir noch eine abschliessende Bemerkung zum Status der befragten „Experten“: Als unabhängiger Sachverständiger kann nur der gelten, der nicht durch seinen beruflichen Status einem bestimmten Interesse verpflichtet ist. Also nicht Forscher, die mit embryonalen Stammzellen arbeiten oder Vertreter von Forschungseinrichtungen, in deren Rahmen solche Forschung stattfindet. Sie sind Partei und müssen als kompetente Lobbyisten betrachtet werden. Ihre Auskünfte sind wichtig und wertvoll, ihr Rat muss relativiert werden und verdient nicht mehr Gehör, als der einer nachdenklichen Krankenschwester.

Das Ulkige ist, Robert Spaemanns Namensvetter Hans Spemann ist der Urahn aller Stammzellforscher. Spaemann gegen Spemann: Was für ein Showdown!

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